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zwei Brüdern, Numitor und Amnlius beherrscht. Letzterer stieß seinen
Bruder vom Throne, tötete dessen Sohn durch Meuchelmord und machte
die Tochter Numitors, Rhea Silvia, zur Priesterin der Göttin Vesta
damit sie nicht heiraten dürfte. Sie verband sich aber doch im geheimen
mrt dem Kriegsgott Mars. Als Amnlius hörte, daß sie Zwillinge und
zwar zwei Knaben hatte, ließ er dieselben in einer Mulde an die Tiber
tragen. Hier sagt die Fabel, säugte eine Wölfin sie, bis ein Hirte, Namens
Faustulus, sie fand und zu seiner Frau brachte. Diese Leute nannten
die Knaben Romulus und Remus und erzogen sie als Hirten. Schon
im Spiele mit andern Kindern zeigten sie ein herrisches Wesen und schlichteten
gerne Streitigkeiten. Einst erzürnten sie sich mit den Hirten des in der
Stille lebenden Numitor, und diese schleppten den Remus vor ihren Herrn.
Bei dieser Gelegenheit erfuhren die Brüder durch den Faustulus das Ge¬
heimnis ihrer Geburt. Da in jener heidnischen Zeit die Rache für ehrenvoll
galt, so überfielen die beiden Brüder den Amulius, töteten ihn und setzten
ihren Großvater Numitor wieder auf den Thron. Dieser aber gab ihnen
aus Dankbarkeit die Erlaubnis, an dem Orte, wo sie einst ausgesetzt worden,
an der Tiber eine Stadt zu erbauen.
Roms Gründung. Hier waren sieben Hügel zum Teil schon be¬
wohnt. Dieser bemächtigten sie sich mit Hilfe ihres Anhangs und bauten
sich Wohnungen. Ein großer Schwarm armer Jünglinge fand sich zu
ihnen, und viele Familien aus Alba longa zogen ebenfalls dahin, um bei
der neuen Länderverteilung mehr zu gewinnen. Als es endlich hieß, wer
von den beiden Brüdern soll König sein? da stellten sich beide auf zwei
verschiedene Hügel, um die Zeichen der Götter zu erwarten. Als nun zur
Rechten des Remus sechs Geier aufflogen, dem Romulus aber zwölf Geier
erschienen, riefen die Anhänger des letzteren denselben zum Könige aus.
Darüber kam es unter beiden Parteien zum Handgemenge, wobei Remus er¬
schlagen wurde. Die neue Stadt bekam aber nach Romulus ihren Namen Rom.
44. Romulus, -er erste römische König.
Der Senat. Romulus bildete einen Senat (Rat der Alten), der aus
hundert der angesehensten Bürger bestand, später aber, als man neue Ge¬
meinden in den Staat ausgenommen hatte, zuerst auf zweihundert und
daun auf dreihundert vermehrt wurde. Von diesem mußte jede Angelegen¬
heit vorher besprochen werden, ehe sie dem versammelten Volke vorgebracht
wurde. Diese alten Familienhäupter und ihre Standesgenossen, die
herrschenden Stadtbürger, nannte man Patricier, die andern freien Bürger
aber, die fast gar keinen Anteil an der Regierung hatten, Plebejer.
Raub der Sabinerinnen. Da Romulus in dem Staate eine Frei¬
statt für Überläufer und anderswo mißvergnügte Leute bildete, so mehrte
sich die Zahl der Männer rasch. Allein es fehlte an Frauen. Als man
nun zu den benachbarten Völkern schickte und sie ersuchte, ihre Töchter den
römischen Männern zur Ehe zu geben, wurden die Boten überall mit Ver¬
achtung zurückgewiesen. Da ließ Romnlus'eine ganz neue Art von Kampfspiel
dem Neptun zu Ehren feiern. Das lockte die Bewohner der Nachbarländer,
besonders die Sabiner, mit ihren Frauen und Kindern herbei. Als aber
aller Augen auf die Kämpfer gerichtet waren, brachen die römischen Jünglinge
auf ein gegebenes Zeichen in die Haufen der Zuschauer ein. Ein jeder
ergriff ein Mädchen, während die Eltern flohen. Die Geraubten ließen
sich von ihren Männern leicht besänftigen; aber die Väter daheim sannen
auf blutige Rache.