480
Die Einrichtung der Karlsschule war streng militärisch und die Ge¬
genstände der Beschäftigung den Zöglingen genau vorgeschrieben. Die
pedantische Strenge Comite aber nicht verhindern, daß die Werke, welche
damals die deutsche Jugend begeisterten, auch in die Karlsschule als
verbotene Ware eingeschmuggelt wurden, und daß die Oden Klopstock's
und Schubart's, die Dramen Shakespeare's, Gerstenberg's, Goethe's in
den Herzen einzelner aufstrebender Karlsschüler dichterische Begeisterung
weckten. Auch Schiller wurde zu poetischen Versuchen angeregt. Aus
dem lange verhaltenen Unmuthe über den Druck seiner Verhältnisse, aus
der Sehnsucht nach Freiheit gingen seine Räuber hervor. Sie waren
vollendet, als er 1780 die Akademie verließ. Schiller sagt: „Neigung
für Poesie beleidigte die Gesetze des Instituts, in dem ich erzogen ward,
und widersprach dem Plan seines Stifters. Acht Jahre rang mein
Enthusiasmus mit der militärischen Regel. Aber Leidenschaft für die
Dichtkunst ist feurig und stark, wie die erste Liebe. Was sie ersticken
sollte, fachte sie an. Verhältniffen zu entfliehen, die mir zur Folter
waren, schweifte mein Herz in eine Idealwelt aus. Aber unbekannt
mit der wirklichen, von welcher mich eiserne Stäbe schieden; unbekannt
mit Menschen und Menschenschicksal, mußte mein Pinsel nothwendig die
mittlere Linie zwischen Engel und Teufel verfehlen, mußte er ein Un¬
geheuer hervorbringen, das zum Glück in der Welt nicht vorhanden
war. — — Wenn von allen den unzähligen Flugschriften gegen die
Räuber eine einzige mich trifft, so ist es diese, daß ich zwei Jahre vor¬
her mir anmaßte, Menschen zu schildern, ehe mir noch einer begegnete."
In der ungeheuren Aufregung, welche das Schauspiel in ganz
Deutschland hervorrief, lag der Beweis, daß Schiller kein unnatürliches
Product geliefert haben konnte, oder vielmehr, daß die Unnatur seines
Stückes damals eine furchtbare Wahrheit war. Die Räuber sind tref¬
fend als der Angstruf eines Gefangenen nach Freiheit bezeichnet worden.
Aber den Druck gleicher Fesseln, in denen Schiller damals schmachtete,
glaubte ein großer Theil der Welt zu fühlen. Trotz mancher Mängel
beurkundet das Stück doch die entschiedene Anlage des jungen Dich¬
ters für das Drama, es zeichnet sich durch lebhafte Handlung und eine
Fülle wahrer Empflndung aus. Es zeigt das Stück aber auch die
Richtung Schillers auf das Ideale, auf den Kampf gegen das Ein¬
engende bürgerlicher Verhältnisse, ja gegen die gegebenen Zustände über-
Haupt, die Neigung, nicht sowohl die Wirklichkeit poetisch zu erfassen
und zu gestalten, als Ideen in die Wirklichkeit hineinzutragen, sich der
herrschenden Ideen der Zeit zu bemächtigen und dieselben poetisch zu
vertreten und poetisch geltend zu machen, endlich die Neigung zu leb¬
hafter Darstellung und starker oratorischer Färbung.
Auf den Wunsch des Freiherrn von Dalberg, der das Mannheimer
Theater leitete, arbeitete Schiller das Stück für diese Bühne um. Eine
heimliche Reise nach Mannheim verschaffte ihm den Genuß, ' sein Stück
von ausgezeichneten Schauspielern aufgeführt zu sehen. Aber eine zweite
heimliche Reise nach Mannheim zog ihm einen vierzehntägigen Arrest
zu. In diesem entwarf er Luise Müllerin oder Kabale und
Liebe. Während die Räuber auf allen Bühnen mit großem Beifall
aufgeführt wurden, hatten sie den Unwillen des Herzogs erregt, und
dieser verbot dem Dichter, außer im medicinischen Fache, etwas drucken