Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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Die Einrichtung der Karlsschule war streng militärisch und die Ge¬ 
genstände der Beschäftigung den Zöglingen genau vorgeschrieben. Die 
pedantische Strenge Comite aber nicht verhindern, daß die Werke, welche 
damals die deutsche Jugend begeisterten, auch in die Karlsschule als 
verbotene Ware eingeschmuggelt wurden, und daß die Oden Klopstock's 
und Schubart's, die Dramen Shakespeare's, Gerstenberg's, Goethe's in 
den Herzen einzelner aufstrebender Karlsschüler dichterische Begeisterung 
weckten. Auch Schiller wurde zu poetischen Versuchen angeregt. Aus 
dem lange verhaltenen Unmuthe über den Druck seiner Verhältnisse, aus 
der Sehnsucht nach Freiheit gingen seine Räuber hervor. Sie waren 
vollendet, als er 1780 die Akademie verließ. Schiller sagt: „Neigung 
für Poesie beleidigte die Gesetze des Instituts, in dem ich erzogen ward, 
und widersprach dem Plan seines Stifters. Acht Jahre rang mein 
Enthusiasmus mit der militärischen Regel. Aber Leidenschaft für die 
Dichtkunst ist feurig und stark, wie die erste Liebe. Was sie ersticken 
sollte, fachte sie an. Verhältniffen zu entfliehen, die mir zur Folter 
waren, schweifte mein Herz in eine Idealwelt aus. Aber unbekannt 
mit der wirklichen, von welcher mich eiserne Stäbe schieden; unbekannt 
mit Menschen und Menschenschicksal, mußte mein Pinsel nothwendig die 
mittlere Linie zwischen Engel und Teufel verfehlen, mußte er ein Un¬ 
geheuer hervorbringen, das zum Glück in der Welt nicht vorhanden 
war. — — Wenn von allen den unzähligen Flugschriften gegen die 
Räuber eine einzige mich trifft, so ist es diese, daß ich zwei Jahre vor¬ 
her mir anmaßte, Menschen zu schildern, ehe mir noch einer begegnete." 
In der ungeheuren Aufregung, welche das Schauspiel in ganz 
Deutschland hervorrief, lag der Beweis, daß Schiller kein unnatürliches 
Product geliefert haben konnte, oder vielmehr, daß die Unnatur seines 
Stückes damals eine furchtbare Wahrheit war. Die Räuber sind tref¬ 
fend als der Angstruf eines Gefangenen nach Freiheit bezeichnet worden. 
Aber den Druck gleicher Fesseln, in denen Schiller damals schmachtete, 
glaubte ein großer Theil der Welt zu fühlen. Trotz mancher Mängel 
beurkundet das Stück doch die entschiedene Anlage des jungen Dich¬ 
ters für das Drama, es zeichnet sich durch lebhafte Handlung und eine 
Fülle wahrer Empflndung aus. Es zeigt das Stück aber auch die 
Richtung Schillers auf das Ideale, auf den Kampf gegen das Ein¬ 
engende bürgerlicher Verhältnisse, ja gegen die gegebenen Zustände über- 
Haupt, die Neigung, nicht sowohl die Wirklichkeit poetisch zu erfassen 
und zu gestalten, als Ideen in die Wirklichkeit hineinzutragen, sich der 
herrschenden Ideen der Zeit zu bemächtigen und dieselben poetisch zu 
vertreten und poetisch geltend zu machen, endlich die Neigung zu leb¬ 
hafter Darstellung und starker oratorischer Färbung. 
Auf den Wunsch des Freiherrn von Dalberg, der das Mannheimer 
Theater leitete, arbeitete Schiller das Stück für diese Bühne um. Eine 
heimliche Reise nach Mannheim verschaffte ihm den Genuß, ' sein Stück 
von ausgezeichneten Schauspielern aufgeführt zu sehen. Aber eine zweite 
heimliche Reise nach Mannheim zog ihm einen vierzehntägigen Arrest 
zu. In diesem entwarf er Luise Müllerin oder Kabale und 
Liebe. Während die Räuber auf allen Bühnen mit großem Beifall 
aufgeführt wurden, hatten sie den Unwillen des Herzogs erregt, und 
dieser verbot dem Dichter, außer im medicinischen Fache, etwas drucken
	        
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