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Klagen? Das Geschick wollte es, daß er als einer ber ersten 1806 mit 
seiner Kompagnie bei Saalfelb auf ben Feind stieß; seine Kompagnie ward 
zerstreut, er selbst verwundet. Im Stabe des Generals von Rüchel sah er 
dann noch das Endunheil der Jenaer Schlacht. Mit scharfer Feder legte er 
nach den Unglückstagen die Quellen der Niederlage bloß. Sein Wort ver¬ 
hallte schon nicht mehr wie sonst, er ward Kommandant von Colberg. Endlich 
hatte das Auge des Königs sich auf den Mann gelenkt, der sechs Jahre 
später zu den Rettern des Staates zählte. 
An Lhren und an Stegen reich. 
Colbergs siegreiche Verteidigung hatte Gneisenaus Namen mit einem 
Male bekannt und berühmt gemacht. Als es nach dem Frieden dann galt, 
Preußens Heer umzugestalten und von neuem schlagfertig zu machen, da 
ward Gneisenau Scharnhorst's treuester Gehilfe. Unermüdlich arbeitete er 
mit diesem, wie Scharnhorst verurteilt, unter den Späheraugen Napoleons 
das Werk eines Verschwörers zu treiben, obschon sein Herz sich nach der 
offenen Feldschlacht sehnte. 1809 ging er nach England, um hier und dann 
in Stockholm und Petersburg für deu Rachekampf zu werben. Als auch 
1811 seine Hoffnung auf Kampf unerfüllt blieb, nahm er seinen Abschied, 
um noch einmal nach England zu gehen. Am 25. Februar 1813 betrat er 
den preußischen Boden wieder. Freudig wurde er in Colberg empfangen; 
die Stadt ward erleuchtet, unb bie Bürgerschaft zog mit Mufti vor bie 
Wohnung ihres einstigen Retters. Auch in Breslau fanb er offene Arme. 
Als Generalmajor trat er in Blüchers Stab mit Scharnhorst zugleich ein, 
um nach dessen Tode Blüchers erster Ratgeber bis zum Frieden zu bleiben. 
Blüchers Siege sind auch seine Siege, Blüchers Verdienst auch sein Verdienst. 
Sie verstanden sich, und ihre Herzen waren eins in bem einen Ziel: 
In Paris erst Friebe! Friede erst, wenn Napoleon gefallen! Sein 
König ehrte ihn nach betn Frieden durch Verleihung des Grafentitels und 
durch eine Ehrengabe an liegenden Gütern. Als Napoleon wieder auf dem 
Plan erschien, ward er wieder Generalstabschef seines verehrten Feldmarschalls. 
Mancher hätte gewiß gern eine andere, selbständige Stellung vorgezogen. 
Denn so ehrenvoll die Stellung auch war, so sehr Einsichtige im eigenen 
Herre auch einsahen, daß Gneisenau der Feldherr war, der Ruhm kam 
zunächst doch Blücher zu gute. Gneisenau fühlte bas wohl selbst. Anbere 
hatten selbstätibige Heerteile geführt, wurden befördert und mit dem höchsten 
Orden geschmückt. Und boch, er hielt aus. Als bann ber zweite Friede 
errungen, durfte er sich freuen, eine Auszeichnung zu tragen, einzig in ihrer 
Art: Der schwarze Adlerorden, den man in bem Wagen bes flüchtenden 
Napoleon gefunben, schmückte fortan feine Brust! 
1815 erhielt Gneisenau bas Kommanbo bes Armeekorps am Rhein, 
nahm aber schon 1816 feinen Abschieb, um dann doch noch als Mitglied des 
Staatsrates und als Gouverneur von Berlin feinem Vaterlande weiter zn 
dienen. 1825, am Jahrestage der Schlacht von Belle-Alliance, ward er Feld¬ 
marschall und 1830 Oberbefehlshaber der Truppen, die ausgesandt wurden, 
den polnischen Ausstand zu bekämpfen. Am 23. August 1831 starb er zu
	        
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