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Sie war es auch, die in dem Herzen des Sohnes den Grund legte zu dem
felsenfesten Gottesglauben und dem unbeugsamen Gottvertrauen, das im
Glücke ihm die kindliche Demut bewahrte, im Unglücke aber und im Leid
ihm Zuversicht und Trost gewährte. Dabei verkümmerte weder Vater noch
Mutter dem Knaben die sorglose Jugendzeit. Es war ein prächtiges Stückchen
Erde, wo er sie verleben durfte. Am Hause ein Garten voll seltener Bäume;
Thäler, von Weingeländen und stolzem Hochwalde umschlossen, dazu die
Höhen mit den altersgrauen Burgen, das waren die Tummelplätze, wo der
Knabe sich das erste Erfordernis eines thatenvollen Lebens, einen starken,
kraftvollen, den Beschwerden gewachsenen Körper gewann. Sechzehnjährig
bezog der Jüngling die Universität Göttingen, um die Rechtswissenschaft zu
studieren. Nach Vollendung seiner Studien ließ er sich beim Reichsgericht
in Wetzlar anstellen, um mit seinen Kräften dem Vaterlande zu dienen. Ein
fürstliches Vermögen setzte ihn in den Stand, ein behagliches Genußleben zu
führen; er zog den Weg mühfamer Arbrit vor. Unbefriedigt von den Zu¬
ständen in Wetzlar, ging er auf Reifen, die ihn 1780 auch nach Berlin führten. Der
preußische Staatsdienst heimelte ihn an; er ließ sich beim Berg- und Hütten¬
wesen anstellen. Und obfchon dieses Fach dem Dreinndzwanzigjährigen
vollständig fremd war, hatte er sich doch binnen 2 Jahren soviel Kenntnisse
angeeignet, daß er zum Oberbergrat ernannt wurde. Schon nach weiteren
2 Jahren wurde ihm die Oberleitung des Berg- und Hüttenwesens in der
Provinz Westfalen übertragen. Die Provinz ward ihm lieb, und gern wurde
er dann ihr erster Beamter. Dem neuen Oberpräsidenten fiel eine schwere
Aufgabe zu. Er sollte die Besitzungen, die durch den Luneviller Frieden an
Preußen gekommen waren, mit dem Stammlande verschmelzen und den Neu¬
gewonnenen die preußische Herrschaft lieb machen. Um so schwerer war diese
Aufgabe, weil es galt, die Abneigung der Katholiken gegen das protestantische
Preußen zu überwinden. Aber es gelang. Inniger Dank der Bevölkerung
folgte ihm nach, als König Friedrich Wilhelm III. ihn 1804 als Finanz¬
minister nach Berlin berief.
Amt- und heimatlos.
Es war kein leichtes Amt, zu dem der König ihn gerufen; noch schwerer
ward's durch die Kriegswirren, die Stein klaren Blickes heranziehen sah. Mehr
denn andere erkannte er, daß Frankreich sein Preußen nur demütigen wolle; er
riet darum schon 1805 zum Kriege. Dann kam 1806 mit seinen Nieder¬
lagen. Noch in letzter Stunde rettete der Minister die Staatskassen nach
Königsberg, wohin er seinem unglücklichen Könige dann selber folgte. Der
König ging von hier nach Memel. Stein war bereit, dorthin zu folgen; da
erhielt er zu Anfang des Jahres 1807 ein Schreiben, das ihn mit deutlichen
Worten drängte, seinen Abschied zu nehmen. Steins Feinde hatten endlich
doch das Ohr des Königs gewonnen! Nicht bloß in Preußen aber konnte
man es nicht begreifen, wie der König einen seiner treusten Räte entließ zu
einer Zeit, wo der Staat doch ganze Männer nötig hatte wie nie. Der
Entlassene zog sich auf seine Güter zurück, um hier seine geschwächte Gesund¬
heit zu kräftigen. Neue Schlachten wurden geschlagen, verloren. Der Friede