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brachte Preußen an den Abgrund des Verderbens, Stein selbst an den Rand 
des Grabes. So erschütterte ihn das Entsetzliche der Friedensbedingungen. 
Da kamen Briefe vom königlichen Hofe, daß er retten helfen möchte, was 
noch zu retten war. Stein war ritterlich genug, der Vergangenheit zu ver> 
gesseu, und umgehend diktierte er seiner Frau die Zusage, da er selbst zum 
Schreiben zu schwach war. Und wunderbar! Die Krankheit schwand; schon 
Ende September traf Stein in Memel ein. Und nun begann die gesegnete, un¬ 
vergeßliche Thätigkeit des eisernen Ministers. Die drückende Kriegsschuld mußte 
getilgt werden. Stein ordnete Maßregeln der Sparsamkeit in der Ver¬ 
waltung an, aber er begann mit ihnen bei sich selbst. Er setzte sein Gehalt 
auf die Hälfte herab. Mit Scharnhorst und Gneisenau arbeitete er an der 
Erneuerung des Heeres, Stadt und Land flößte er neues Leben ein durch 
die wohlthätigen Gesetze, die er durchsetzte. Und doch! Wieder arbeiteten 
seine Feinde an seinem Sturze; schamlos genug benutzten sie den Haß der 
Feinde Preußens, um den gefürchteten Minister zu stürzen. Im Einverständnis 
mit dem Könige, um des Vaterlandes willen nahm Stein im Dezember 1808 
seine Entlassung. So war er denn wieder ohne Amt! Es sollte schlimmer 
kommen! Ein aufgefangener Brief brachte den Haß Napoleons zum Ausbruch. 
Unterm 16. Dezember 1808 schon erschien von Madrid aus seine Achts¬ 
erklärung: „Der Namens Stein, welcher Unruhen in Deutschland zu erregen 
sucht, ist zum Feinde Frankreichs und des Rheinbundes erklärt." Der fran¬ 
zösische Gesandte dachte edler als sein Gebieter. Durch den holländischen 
Gesandten ließ er Stein die Achtserklärung zustellen mit dem Hinzufügen, 
er werde, wenn er gleich abreise, thun, als ob er schon abgereist wäre. Am 
5. Januar reiste Stein. Ant Abende vorher hatten sich noch einmal die 
Freunde um ihn versammelt. Da ergriff Major v. Röder das Wort: „Eure 
Excellenz werden jetzt durch die Franzosen ihres angestammten Erbes beraubt; 
wir Preußen müssen es Ihnen mit unserem Blute wieder erobern." Der 
tapfere Mann hat sein Gelübde gelöst, er ruht mit seinen Heldengenossen in 
freier Erde bei Arbesau. Freilich, ach! noch manches Jahr drückender Not 
verging, ehe Stein sein befreites Vaterland wiedersah! (11.) 
19. 
Unter dem Aruck der Isremdherrschaft. 
Die Rücksicht auf Rußland hatte Napoleon gehindert, Preußen mit 
einem Schlage zu vernichten; so wollte er es denn langsam erwürgen. 
Mehr als deutlich sprachen dafür die Maßnahmen Napoleons selbst, auch die 
Maßnahmen, die er seinen Marschällen gestattete. Jeder Krieg bringt für 
den Besiegten Jammer und Not, verwüstete Städte, verbrannte Dörfer, 
zertretenes Familienglück, vernichteten Wohlstand. Ob aber ein Volk auf¬ 
treten kann und sagen: Mir ist's nicht besser ergangen als Preußen nach dem 
Tilsiter Frieden? Die lebendigen Zeugen jener traurigen Jahre sind dahin¬ 
gestorben; ihr Nein! auf jene Frage hinderte der Tod. Hier und da hat
	        
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