— 70 — 
ließ satteln und gab schnell noch den strengen Befehl, jede feindliche Kund¬ 
gebung zu unterlassen, da er der Ansicht war, der Feind wolle ihn zum Ver¬ 
letzen des Waffenstillstandes reizen, um so einen Grund zum Angriff zu haben; 
dann sprengte er dem Boten des Feindes entgegen, der ihn zu den Generälen 
Fournier und Normann lud. Der Major fand die feindliche Kavallerie in 
zwei Treffen im Vorrücken. Es machte ihn stutzig, daß General Normann 
auf seine Bitte nicht halten ließ, sondern sich mit dem Befehle entschuldigte, 
das nächste Dorf besetzen zu sollen. Doch ritt er weiter. Er durchritt das 
zweite Treffen der Kavallerie, dann die Infanterie und die Artillerie. Endlich 
fand er den General Fournier allein bei der letzten Bagage. Der General 
versicherte dem Major, daß er nicht angreifen werde, wenn er sein Korps auf 
die Straße nach Leipzig weisen würde, wohin er dann folgen werde. Lützow 
sandte einen Offizier mit einem dahingehenden Befehle ab, bemerkte aber zu 
seinem Erstaunen, daß sich die feindliche Kavallerie in Trab setzte. Auf feine 
verwunderte Frage erhielt er die Antwort: „Der Waffenstillstand für jeder¬ 
mann, nur nicht für Sie!" Schnell wandte der Major sein Pferd und jagte 
auf die Seinen zu; Fournier aber gab den Befehl zum Angriff auf das 
Freikorps. Arglos marschierte dasselbe dahin; Marschliedertönten aus seinen 
Reihen. Unvermutet geschah der Angriff. Mit gewaltiger Übermacht stürzte 
sich der Feind auf die Lützower; namentlich die Württembergs thaten sich 
bei der Metzelei hervor. Zwar gelang es der führenden Schwadron, das 
freie Feld zu gewinnen und Lützow aus den Feinden herauszuhauen, schlimmer 
erging es den folgenden Schwadronen. Die einbrechende Dunkelheit hatte 
den Angriff verschleiert. Plötzlich und ungeahnt erfolgte er im Rücken und 
in der Flanke zugleich. Die auf der rechten Seite der Marschierenden befind¬ 
lichen Gärten und Häuser verhinderten ein Ausweichen und so wurden die 
Schwadronen so auf einander geworfen, daß in dem Gedränge ein geordneter 
Widerstand unmöglich wurde. Als der Zuruf, Pardon zu nehmen, mit dem 
Ziehen der Säbel beantwortet wurde, begann ein Handgemenge, in dem die 
Übermacht siegen mußte. Zu einem wirren Haufen zusammengedrängt, war 
jeder Widerstand bald aussichtslos, und es blieb nichts übrig als Gefangen¬ 
schaft. Manchem kühnen Reiter gelang es, sich durchzuschlagen, aber 300 
Tote und Verwundete deckten die Wahlstatt, 200 wurden gefangen. 
Napoleon hatte befohlen, daß die Lützower nicht als Soldaten, sondern 
als Räuber angesehen werden sollten. Nach diesem Grundsätze wurden die 
Gefangenen behandelt. Selbst die Verwundeten sperrte man in Leipzig in 
eine Kirche ein, ohne im geringsten für ärztliche Hilfe und Verpflegung zu 
sorgen. Sie würden zumeist verkommen sein, wenn nicht die Bewohner 
Leipzigs freiwillig eingetreten wären. Ärzte kamen zu den Gefangenen, 
Frauen aller Stände sorgten für gute Kost und mehr als einer der Gefangenen 
entkam mit Hilfe der Einwohner zu den Seinen. Die, welche zurück blieben, 
wurden, wie Galeerensklaven gefesselt, nach dem Innern Frankreichs gebracht. 
Zu den Geretteten gehörte auch der Sänger Theodor Körner, gehörte 
Lützow selbst. Auf vielen Umwegen, von kühnen Männern oft mit eigener 
Gefahr durchgerettet, kam er zu seinem Korps, dessen Reste bei Genthin sich 
sammelten. Ein Schrei der Entrüstung ging durch das Preußenland, als
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.