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ließ satteln und gab schnell noch den strengen Befehl, jede feindliche Kund¬
gebung zu unterlassen, da er der Ansicht war, der Feind wolle ihn zum Ver¬
letzen des Waffenstillstandes reizen, um so einen Grund zum Angriff zu haben;
dann sprengte er dem Boten des Feindes entgegen, der ihn zu den Generälen
Fournier und Normann lud. Der Major fand die feindliche Kavallerie in
zwei Treffen im Vorrücken. Es machte ihn stutzig, daß General Normann
auf seine Bitte nicht halten ließ, sondern sich mit dem Befehle entschuldigte,
das nächste Dorf besetzen zu sollen. Doch ritt er weiter. Er durchritt das
zweite Treffen der Kavallerie, dann die Infanterie und die Artillerie. Endlich
fand er den General Fournier allein bei der letzten Bagage. Der General
versicherte dem Major, daß er nicht angreifen werde, wenn er sein Korps auf
die Straße nach Leipzig weisen würde, wohin er dann folgen werde. Lützow
sandte einen Offizier mit einem dahingehenden Befehle ab, bemerkte aber zu
seinem Erstaunen, daß sich die feindliche Kavallerie in Trab setzte. Auf feine
verwunderte Frage erhielt er die Antwort: „Der Waffenstillstand für jeder¬
mann, nur nicht für Sie!" Schnell wandte der Major sein Pferd und jagte
auf die Seinen zu; Fournier aber gab den Befehl zum Angriff auf das
Freikorps. Arglos marschierte dasselbe dahin; Marschliedertönten aus seinen
Reihen. Unvermutet geschah der Angriff. Mit gewaltiger Übermacht stürzte
sich der Feind auf die Lützower; namentlich die Württembergs thaten sich
bei der Metzelei hervor. Zwar gelang es der führenden Schwadron, das
freie Feld zu gewinnen und Lützow aus den Feinden herauszuhauen, schlimmer
erging es den folgenden Schwadronen. Die einbrechende Dunkelheit hatte
den Angriff verschleiert. Plötzlich und ungeahnt erfolgte er im Rücken und
in der Flanke zugleich. Die auf der rechten Seite der Marschierenden befind¬
lichen Gärten und Häuser verhinderten ein Ausweichen und so wurden die
Schwadronen so auf einander geworfen, daß in dem Gedränge ein geordneter
Widerstand unmöglich wurde. Als der Zuruf, Pardon zu nehmen, mit dem
Ziehen der Säbel beantwortet wurde, begann ein Handgemenge, in dem die
Übermacht siegen mußte. Zu einem wirren Haufen zusammengedrängt, war
jeder Widerstand bald aussichtslos, und es blieb nichts übrig als Gefangen¬
schaft. Manchem kühnen Reiter gelang es, sich durchzuschlagen, aber 300
Tote und Verwundete deckten die Wahlstatt, 200 wurden gefangen.
Napoleon hatte befohlen, daß die Lützower nicht als Soldaten, sondern
als Räuber angesehen werden sollten. Nach diesem Grundsätze wurden die
Gefangenen behandelt. Selbst die Verwundeten sperrte man in Leipzig in
eine Kirche ein, ohne im geringsten für ärztliche Hilfe und Verpflegung zu
sorgen. Sie würden zumeist verkommen sein, wenn nicht die Bewohner
Leipzigs freiwillig eingetreten wären. Ärzte kamen zu den Gefangenen,
Frauen aller Stände sorgten für gute Kost und mehr als einer der Gefangenen
entkam mit Hilfe der Einwohner zu den Seinen. Die, welche zurück blieben,
wurden, wie Galeerensklaven gefesselt, nach dem Innern Frankreichs gebracht.
Zu den Geretteten gehörte auch der Sänger Theodor Körner, gehörte
Lützow selbst. Auf vielen Umwegen, von kühnen Männern oft mit eigener
Gefahr durchgerettet, kam er zu seinem Korps, dessen Reste bei Genthin sich
sammelten. Ein Schrei der Entrüstung ging durch das Preußenland, als