Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

134. Der Rheinfall bei Schaffhausen. 
237 
Bünden. Der Richtung nach schien es mir, daß sie jenseits des Sees der 
vier Waldstädte, im Kanton Luzern oder im Kanton Uri lägen. Die hohe 
Württembergische Feste Hohentwiel ließen wir auf unserer Fahrt nach Schaff¬ 
hausen hart am Wege liegen. Auch in ihr, wie in der von Hohenasperg, werden 
Gefangene bewahrt. 
Etwa eine Stunde vor Schaffhausen sahen wir den Rhein im Thale, 
Mischen den waldigen Ufern und stark rauschend mit smaragdgrünen, durch¬ 
sichtigen Wogen, lauter wie Wein, nach seinem Bade im Bodensee. Die Höhe 
eines Berges im Walde über diesem Strome trennt das deutsche Reich, nicht 
Deutschland, eine halbe Stunde von Schaffhausen, von der Schweiz, nicht 
Deutschland! 
Nahe bei Schaffhausen ist der Rhein sehr reißend und rauscht über Felsen. 
In früheren Zeiten schon standen hier Häuser, in welche Waren gelegt wurden, 
die von den höheren Gegenden, Bünden, Lindau, Konstanz rc. mit dem Strom 
gekommen waren und wegen des nahen Rheinfalls hier ausgeladen wurden. 
Diese Häuser gaben nachher der Stadt ihren Namen. Denn in schweizerischer, 
schwäbischer und österreichischer Mundart bedeutet das Wort schaffen: handeln, 
kaufen und verkaufen. Am Nachmittag besuchten wir den Rheinfall. Wie könnt' 
ich den beschreiben! Er läßt jede Beschreibung weit hinter sich, jede Vorstellung, 
selbst die Erinnerung. Ich sah ihn zum drittenmal, aber mit eben dem Staunen, 
mit welchem ich ihn das erstemal gesehen hatte. Er überrascht den Mann, wie 
er den Jüngling überrascht hatte. 
Ich scheine etwas zu sagen und sage nichts, wenn ich erzähle, wie der 
breite Strom zwischen hohen Felsen, die mit Laubholz bewachsen sind, in einer 
ungeheuern Schaummasse, durch welche hie und da die grüne Farbe der ge¬ 
wölbten Fluten schimmert, mit betäubendem Getös' und fliegendem Ungestüm, 
tief herunterstürzt; wie drei in ungleicher Entfernung mitten aus seinem Wasser¬ 
fall hervorragende, mit immer erschüttertem Gebüsch belaubte Felsen, ihm, nicht 
ungestraft, sondern ausgehöhlt und durchlöchert, entgegenstarrend, seinen Sturz 
teilen und verherrlichen. Auf dem minder hohen Felsenufer, zur rechten Seite 
des Wasserfalls, steht im Schaffhausener Gebiet eine Drahtmühle; gegenüber, 
im Gebiet des Kanton Zürich, steht das Schloß Laufen auf einem viel höhern 
Felsen. Zuerst zeigt man Fremden den Rheinfall von der Seite der Draht¬ 
mühle, wo die Erwartung schon sehr überrascht, wo schon der Hinstaunende 
freudig erschreckt wird. Dann führt man ihn einen schmalen, krummen Pfad, 
unter Bergen am gerundeten Becken des Stromes hin, bis er, gerade dem 
Rheinfall gegenüberstehend, gewahr wird, daß die Katarakte, welche er eben 
anstaunte, nur zwischen dem Ufer und einem Felsen, der mitten aus dem Strom 
sich emportürmt, gebildet werden, und etwa den fünften Teil des Wasserfalles 
ausmachen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.