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Darauf griff der Knabe hastig in seinen Busen und zog einen
schönen Schmetterling hervor. Aber siehe, die Flügel desselben
hatten ihren Glanz verloren, und der bunte Flügelstaub klebte an
den Fingern des Knaben, und die zarten Flügel waren ganz zer¬
zauset.
Da seufzte der Knabe bitterlich und sprach: „O, wie ist das
Ding so jämmerlich entstellt worden! Sieht es doch dem Vöglein
nicht mehr ähnlich, das auf der Lilie saß. Pfui, daß es auch so
gebrechlich ist!" — — So sprach der Knabe und warf das Vöglein
zürnend zur Erde.
Der Vater aber antwortete und sprach: „Wem zürnest du?
Ist es etwa des Vögleins Schuld, daß es so zart gebildet wurde?
Du hast es mit rauhen Händen angefaßt, darum verwelkte sein
Flügelglanz und sein Blumenleben." Kr um mach er.
31. Die Verwandlung der Insekten.
Die Klasse der Insekten ist unter den unvollkommenen Thieren
dasselbe, was die Klaffe der Vögel unter den vollkommenen Thieren
ist; denn der gröste Theil davon ist leicht geflügelt, wie die
Vögel. Überhaupt sind die Insekten auch in vielen andern Eigen¬
schaften gar merkwürdige Thiere, an denen sich wundervolle Kunst¬
triebe, Vorgefühl des Künftigen und vor allen Dingen eine Ver¬
wandlung und gänzliche Umgestaltung findet, wodurch ein und das¬
selbe Thier zu einem ganz andern wird. Erst ist es z. B. eine
häßliche Raupe, die ungemein gefräßig und schädlich ist, indein sie
eine große Menge von Blättern und Knospen frißt, oder auch ein
häßlicher Wurm, der von Koth lebt. Auf einmal wird die Raupe
krank, sie krümmt und windet sich und muß als Raupe sterben, nach¬
dem sie sich noch öfters vorher ihr Sterbekleid gesponnen oder ihren
Sarg zurecht gemacht hat. Da liegt sie oder hängt sie denn lange
als todt, und die Raupe ist dann wirklich nicht mehr vorhanden.
Auf einmal aber bricht der Frühlingssonnenschein herein; da springt
der Sarg entzwei, und aus dem Grabe geht nun ein ganz anderes
Leben hervor, als das vorige war; ein schöner, bunter Schmetterling,
der all das Schädliche und Häßliche, das die Raupe hatte, abgelegt
hat, der gar keine Blätter und keinen Koth mehr fressen mag,