des Volkes hatte er nicht zu brechen vermocht. An der Spitze der 17
vereinigten Provinzen stand ein vom König ernannter Statthalter; ihm
traten beratend zur Seite ein Staatsrat und die General st aaten
(d. H. allgemeine Versammlung der Stände, Abgeordnete des Adels, der
Geistlichkeit und der Bürger). Jede Provinz besaß außerdem ihren eigenen
Statthalter mit ausgedehnten Rechten und eine eigene Ständeversammlung.
Die Steuerbewilligung lag in den Händen der Stände und damit ein
bedeutender Einfluß aus die ganze Regierung. Mit dem spanischen
Wesen Philipps II. konnten sich die Niederländer, welche Karl V. als den
ihrigen angesehen hatten, nicht besreunden. Aber anfangs stellten sie
sich zusrieden, da Philipp seine Halbschwester, die Herzogin Margarethe Statthaltcrin
von Parma, eine Frau von männlicher Entschlossenheit, als Statt- Margarethe v.
halterin eingesetzt hatte. Sie war mit dem Wesen der Niederländer Parma,
genau vertraut und bei ihnen beliebt. Als Ratgeber hatte ihr der König
allerdings seinen verhaßten Günstling, Granvella, einen Mann von Granvella.
hartem grausamen Charakter, beigegeben. Dieser betrieb die Verfolgung
der Ketzer mit großer Strenge. Gegen ihn traten der Liebling des
niederländischen Volkes, Graf Egrnont, ein leutseliger, offener Mann Egmont.
und berühmter Feldherr, *) sowie Graf Wilhelm von Nassau-
Oranien (der Schweigsame), ein scharfsichtiger und thatkräftiger Staats- Wilhelm der
mann, den Karl V. trotz seiner Jugend zu den wichtigsten Geschäften Schweigsame,
verwendet hatte, an der Spitze der Unzufriedenen auf. Als Granvella
den König bewog, statt der bisherigen 4 Bistümer 17 einzurichten und
ihm das Erzbislhum Mecheln mit dem Vorrang über die anderen Kirchen-
fürsten zu übertragen, brach der Unmut offen aus. Egmont, Oranien
und der Admiral Graf Hoorn baten den König vergeblich um die
Abberufung Granvellas; derselbe wurde erst entfernt, als auch die Statt¬
halterin feine Entlassung für notwendig erklärte. Trotzdem Egmont nun
persönlich dem König die Wünsche des Volkes vortrug, befahl Philipp die
unerbittlichste Verfolgung der Ketzer durch die Inquisition. Da
bildete sich ein Bund (Kompromiß) gegen die Gewaltmaßregeln
des Königs. Als bei einem feierlichen Aufzuge der Verbündeten ein
königlicher Rat zu der Statthalterin sagte: ce n’est qu’une troupe de
gueux (Bettler), nahm man den Beinamen Geusen an und wählte ©eufcn.
als Bnndessymbol den Bettelfad. Bald war Margarethe nicht mehr
Herrin der Bewegung und machte Zugeständnisse. Dafür traf sie ber
Tadel Philipps, dem dieselben zu weit gingen.
§. 44 Er fchitite endlich nach langer Überlegung, statt die Unruhen selbst ^lha ©tatt=
zu stillen, ben eisernen Herzog von Alba mit ben ausgebehntesten
Vollmachten ins Lanb. Richtig erkannte Wilhelm von Oranien, baß bnltrr.
bies ben Anfang einer ©chredensherrfchaft bebeute, unb flüchtete sich nach
Deutschland Vergeblich hatte er sich bemüht, ben vertrauensseligen
Grafen Egmont zu bem gleichen Schritte zu bewegen. Dieser baute
aus seine Beliebtheit, seinen hohen Rang, sowie aus bie Dienste, bie er
*) Er hatte bie Siege bei St. Quentin unb Gravelingen gegen bie
F^nzosen erfochten. Vgl. Schiller: Abfall d. Nieberlanbe. Göthe: Egmortt.