Full text: Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn vom Stein

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zusammengerollten Haufen bezwungener Völker und auch 
die Scharen deutscher Könige und Fürsten über Oder, 
Weichsel und Dnjestr mit sich und hinter sich hertreiben 
ließ. 
Gegen Ende August des Jahres 1812 *) stand ich vor 
dem berühmten Minister Freiherrn vom Stein. 
Ks'-. 
Er empfing mich freundlich mit den Worten: „Gut, 
daß Sie da sind. Wir müssen hoffen, daß wir hier Arbeit 
bekommen.“ Ich sah einen Mann vor mir, gedrungenen, 
mittleren Wuchses, schon mit ergrauendem Haar und etwas 
vornüber geneigt, mit leuchtendsten Augen und freund¬ 
lichster Gebärde. In bester, getreuester Meinung hatte er 
mich zu sich gewünscht und gerufen, und ich, wie ich vor 
ihm stand, schien einem Bilde solches Wohlwollens zu ent¬ 
sprechen. Er empfing mich wirklich mit solcher fröhlichen 
Zärtlichkeit, als hätten wir uns schon Jahre gekannt, und 
ich, mit welcher hohen Verehrung ich auch vor den berühmten 
Mann getreten war, deuchte mir fast wie vor einem alten 
Bekannten vor ihm zu stehen. Die Jugendblödigkeit des 
gebornen Plebejers, die auch nie sehr demütig gewesen war, 
war in dem dreiundvierzigjährigen Mann, der vor dem 
fünfundfünfzigjährigen Freiherrn stand, schon vor einem 
Vierteljahrhundert abgerieben und abgeklopft. Ich hatte 
in großen Hauptstädten schon genug Welttreiben gesehen 
und war unter Grafen und Baronen und weiland Staats¬ 
ministern und Fürsten kein Fremdling mehr, hatte die letzten 
bösen Lehrjahre meines Lebens mit solchen Menschen und 
unter schlimmen, verworrenen Dingen am Staats- und Hof¬ 
lager in Stockholm durchgemacht. Kurz, ich ward auf das 
allerfreundlichste empfangen und für den nächsten Morgen 
wieder berufen, um gleichsam meine Anweisung und Ein- 
*) Am 16. August. Am 18. beantragte Stein bei Kaiser 
Alexander Arndts Anstellung bei der „deutschen Legion“, die 
alsbald verfügt wurde. 
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