4. Bilder aus der Völkerwandrung.
21
4. Bilder aus der Völkerwandrung.
Die Hunnen. Im Jahre 375 erschien ein wildes Volk an den
Grenzen Europas und erstritt sich neue Wohnsitze. Dieses Volk waren
die Hunnen. Aus der Mongolei kamen sie. Sie lebten meist auf ihren
Rossen; zu Roß hielten sie ihre Beratungen; rohes Fleisch ritten sie
mürbe und genossen es. Furchtbar war ihr Aussehen und wild ihre
Sinnesart. Zuerst stießen sie aus die Goten, die aus ihrer skandinavischen
Heimat über die Ostsee iu die Weichsel- und Dnjeprniedernngen bis zum
Schwarzen Meere, sogar bis Konstantinopel gewandert waren. Lie be¬
siegten diese, nahmen ihnen Wohnplätze ab und zwangen sie, ihnen Heeres¬
folge zu leisten. In Ungarn nahmen sie Standquartier. Bon dort zogen
sie durch Germanien, Gallien und die Besitzungen des Römischen Reiches.
Brennende Städte und Dörser bezeichneten ihren Weg.
Ter mächtigste und zugleich der furchtbarste König der Hunnen war
Attila. Etzel wird er in der Sage genannt, Gottes Geißel nannten
ihn die Christen. Klein und häßlich von Gestalt, einfach und mäßig,
hart, doch gerecht, fesselte er durch die Gewalt seines Wesens die ihm
untergebenen Völker zur festen Treue an sich; als Feldherr handelte er
rasch und kühn. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts zog er verheerend
durch Germanien und Gallien bis zur Marne. Dort trat ihm der große
römische Feldherr Aetius entgegen und schlug ihn im Jahre 451 auf
den Katalaunifchen Feldern, nördlich von Chalons an der Marne,
mit Hilfe von Franken und Goten so entscheidend, daß er schleunigst
den Rückzug nach Ungarn antrat1).
Im folgenden Jahre erschien er mit neuen Streitkräften in Ober¬
italien. Rom war in Gefahr. Da stellte sich Papst Leo der Große
an die Spitze einer Gesandtschaft, die in das Lager Attilas reiste, um
Schonung für die Stadt zu erbitten. Seuchen, die in Attilas Heere
wüteten, unterstützten mächtig die Bitte des römischen Hohenpriesters.
Attila zog sich nach Ungarn zurück. Ein Jahr daraus starb er eines
jähen Todes im Jahre 453. Mit seinem Tode zerfiel sein Reich, weil
die untergebenen Germanen sich befreiten. Die Hunnen konnten nicht
aufbauen, sie konnten nur zerstören. In die Steppen des Schwarzen
Meeres wurden sie zurückgetrieben. Dreiviertel Jahrhundert haben sie
die Völker Europas in Schrecken gehalten.
Alarich. Die hunnische Wandrung hatte eine ganze Reihe von
Völkerstämmen aus ihren Sitzen aufgescheucht. Die einen vertrieben die
andern, und die Vertriebenen suchten sich neue Wohnstätten. Das Römische
l) Die Sage verlegt die Schlacht in die Nähe Roms und erzählt, es sei mit
solcher Erbitterung gekämpft worden, daß die Geister der Erschlagenen in der Luft
weiter gestritten hätten. Diese Sage hat Kaulbach als Vorwurf zu seinem be¬
rühmten Wandgemälde „Die H unnenlchlacht" im Treppenhause des Neuen
Museums zu Berlin benutzt.