8. Das Zeitalter der salischen Kaiser.
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1) Der fromme Kaiser Heinrich mar ge¬
storben,
Des sächsischen Geschlechtes letzter Zweig,
Das glorreich ein Jahrhundert hat ge¬
herrscht.
2), Als nun die Botschaft in das Reich
erging,
Da fuhr ein reger Geist in alles Volk;
Lin neu weltalter schien heraufzu¬
ziehen;
Da lebte jeder längst entschlaf ne Wunsch
Und jede längst erloschue Boffnung auf.
Kein wunder jetzo, menn ein deutscher
Mann,
Dem sonst so Z^ohes nie zu Birne stieg,
Sich heimlich forschend mit den Blicken
maß.
Kami’s doch nach deutschem Rechte wohl
geschehn,
Daß, wer dein Kaiser heut den Bügel
hält,
Sich morgen selber in den Sattel schwingt.
3) Jetzt dachten nnsre freien Männer nicht
An Bub * und Baingericht und Mars«
gedmg,
IDo man um Esch und Bolzteil Sprache
hält;
Nein, stattlich ausgerüstet zogen sie
Aus allen Gauen, einzeln und geschart,
Ins Maienfeld hinab zur Kaiserwahl.
Am schönen Rheinstrom zwischen Ivorms
und Mainz,
IDo unabsehbar sich die ebne Flur
Aus beiden Ufern breitet, sammelte
Der Andrang sich; die Mauern einer Stadt
vermochten nicht das deutsche Volk zu
fassen.
4) Am rechten User spannten ihr Gezelt
Die Sachsen samt der slawischen Nach¬
barschaft,
Die Bayern, die (Dstsrauken und die
Schwaben;
Am linken lagerten die rhein'schen Franken,
Die Ober- und die Niederlothringer,
So war das Mark von Deutschland hier
gedrängt.
Und mitten in dem Lager jedes Volkes
Erhub sich stolz das herzogliche Zelt.
5) Da war ein Grüßen und ein Bände¬
schlag,
Ein Austausch, ein lebendiger Verkehr;
Und jeder Stamm verschieden an Gesicht,
An wuchs und Baltuug, Mundart, Sitte,
Tracht,
An Pferden, Rüstung, Waffenfertigkeit,
Und alle doch ein großes Brudervolk,
Zu gleichem Zwecke festlich hier vereint.
6) was jeder im besondern erst beriet
Im hüllenden Gezelt und im Gebüsch
Der Inselbuchten, mählich war's gereift
Zum allgemeinen offenen Beschluß.
Aus vielen wurden wenige gewählt,
Und aus den wenigen erkor man zween,
All beide Franken, fürstlichen Geschlechts,
Erzeugt von Brüdern, Namensbrüder
selbst,
Kunrade, längst mit gleichem Ruhm ge¬
nannt.
Da standen nun auf eines Bügels Saum
Im Kreis der Fürsten, sichtbar allem Volk,
Die beiden Männer, die aus freier Wahl
Das deutsche Volk des Thrones wert er¬
kannt
vor allen, die der deutsche Boden nährt,
von allen würdigen die würdigsten,
Und so einander selbst au würde gleich,
Daß fürder nicht die Wahl zu schreiten
schien,
Und daß die wage ruht’ im Gleich¬
gewicht.
7) Da standen sie, das hohe Baupt geneigt,
Den Blick gesenkt, die Wange scham¬
erglüht,
von stolzer Demut überwältiget.
Ein königlicher Anblick war's, ob dem
Die Träne rollt’ in manchen Mannes
Bart.
Und wie nun um sie harrend all die
Menge stand,
Und sich des Volkes Brausen so gelegt,
Daß man des Rheines stillen Zug ver¬
nahm —
Denn niemand wagt' es, diesen oder den
Zn küren mit dein Hellen Ruf der Wahl,
Um nicht am andern Unrecht zu begehn,
Noch aufzuregen (Eifersucht und Zwist —