6 I. Polen unter dem Herrschergeschlechte der Piasten.
war nicht vorhanden. — Jeder Fürst hatte einen Wojewoden
als höchsten Beamten neben sich. Im Lande selbst geboten als
Beamte die Kastellane auf ihren Burgen; sie riefen den
Adel zum Kriege auf, sprachen Recht und sammelten für den
Fürsten die Abgaben ein. Dieser ernannte lange Zeit auch die
hohen Geistlichen und forderte von ihnen dieselben Abgaben
und Leistungen, wie von dem weltlichen Adel. Erst um 1215
gewann der Papst größern Einfluß und machte die Kirche
selbständiger.
§ 6. In den Zeiten der vielen Teilungen erwarb der
Adel immer mehr Vorrechte. Denn die Fürsten hatten ihn
nötig, wenn sie zur Würde eines Großfürsten (Seniors) ge¬
langen wollten. So geboten namentlich die Wojewoden und
Kastellane fast selbständig im Lande und wurden sogar unab¬
setzbar. Um aber nicht alle Macht zu verlieren, setzte Wenzel II.
von Böhmen die Starosten, d. h. Landvögte, ein, die vom
Fürsten abhängig blieben; dagegen behielten die früheren Be¬
amten fast nur noch ihre angesehenen Titel und Würden.
§ 7. Die zahlreichen Hofhaltungen und Beamten kosteten
dem Lande viel Geld, das die armen Kmeten kaum noch auf¬
bringen konnten, zumal ihre hölzernen Pflüge und sonstigen
Ackergeräte noch recht mangelhaft waren. Die Klöster und dann
auch die Fürsten riefen daher deutsche Ansiedler herbei,
die schon eine weit bessere Kultur befaßen. Ein polnischer Teil¬
fürst, Herzog Konrad von Masowien, wandte sich an den
deutschen Ritterorden, der ihn vor den heidnischen Preußen
schützen sollte. Der Deutschorden nahm aber das Land zwischen
Weichsel und Memel (1234) vom Papste zu Lehn und unterwarf
es (1230—1283) für sich selbst. Darüber entstand dann eine
tödliche Feindschaft zwischen Polen und dem Ordenslande. Da¬
gegen wurde Schlesien seit Heinrich I. dem Bärtigen durch
die plastischen Fürsten selbst zu einem ganz deutschen Lande
gemacht. Sie vermählten sich stets mit deutschen Frauen und
sprachen nur deutsch; sie gründeten über tausend deutsche Dörfer
und Städte und verwandelten die vorhandenen slawischen Ort¬
schaften in deutsche. Auch die groß- und kleinpolnischen
Fürsten und Großen konnten ohne die Deutschen nicht aus-