Full text: Sammlung von Quellenstoffen für den Unterricht in der Geschichte

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festsetzte, und der Käufer seinerseits verthut sich in der Begierde und 
Brunst des Bietens ebenso oftmals. Ist aber gar keine Rede vom Ab¬ 
lassen, dann bleiben beide schön ruhig und wahren sich vor Schaden." 
„Da ihr so vernünftig redet, so werdet ihr meinen Antrag jetzt 
besser erwogen haben," hob der Receptor an. „Wie gesagt, die Regierung 
will alle Korngefälle der Höfe in hiesiger Gegend in Geld umwandeln. 
Sie hat allein den Schaden davon, denn Korn bleibt Korn, aber Geld 
ist heute so viel und morgen so viel werth, indessen ist es nun einmal 
ihr Wille, um der Last des Aufspeicherns quitt zu werden. Ihr thut 
mir also deu Gefallen und unterschreibt diese neue auf Geld lautende 
Urkunde, die ich zu diesem Behufe schon mitgebracht habe." 
„Durchaus nicht," antwortete der Holzschulze eifrig; „es ist ein 
alter Glaube hier im Lande, daß, wer seinem Hofe eine Last auflegt, 
dafür zur Strafe uach dem Tode auf seinem Hofe umgehen muß. Ich 
weiß nicht, wie es damit beschaffen ist, aber das weiß ich, vom Ober¬ 
hose sind seit vielen hundert Jahren nur Körner an die Gotteszelle ge¬ 
geben worden, und damit wolle sich also das Rentamt begnügen, wie 
das Stift sich damit begnügt hat. Wächst Geld aus meinem Acker? Korn 
wächst daraus. Woher wollen sie also das Geld nehmen?" 
„Ihr sollt ja nicht übervortheilt werden!" rief der Receptor. 
„Es muß alles beim Alten bleiben!" sagte der Hofschnlze feierlich; 
das war noch eine gute Zeit, als die Tafeln mit den Verzeichnissen der 
Lasten und Abgaben der Bauernschaft in der Kirche hingen. Dazumalen 
stand alles fest, und ein Gezänk hat sich nimmer darüber begeben, wie 
neuerdings nur gar zu oft. Hernach hieß es, die Tafeln mit den 
Hühnern und Eiern und Maltern schadeten der Andacht, und sie wurden 
hinweggethan. Im Gegentheil, sie hatten immer zu Predigt und Gesang 
gehört wie Amen und Segen; ich für meinen Theil, wenn ich sie ansah, 
besonders beim dritten Theile oder der Nutzanwendung, bekam die er¬ 
baulichsten Gedanken, zum Exempel: überhebe dich nicht; denn da steht 
geschrieben, wie viel Zinsroggen und Schoßhaser du geben mußt, oder 
auch so: wenn du draußen Lasten zu tragen hast, hier im Gotteshause 
bist du frei, und was dergleichen mehr war. Nun aber, als man auf 
die leeren Stellen sah, gingen die Gedanken immer wandern und suchten 
nach den Tafeln, und es dauerte geraume Zeit, ehe und bevor die 
Menschheit wieder recht uach dem Pastor hinhörte." Er ging in sein 
Haus. — „Das ist ein alter Racker!" rief der Pferdehändler, als er 
seinen Handelsfreund nicht mehr sah, indem er den lackirten Hut ver¬ 
drießlich aus den Kops stülpte. „Wenn der nicht will, so bringt ihn 
der Teufel nicht herum. Das Schlimmste ist, daß der Kerl die besten 
Pferde in der Gegend zieht und sie im Grunde, so zu sagen, billig 
genug losschlägt." 
„Ein starres, widersinniges Volk hier zu Lande!" sagte der Re¬ 
ceptor; „ich bin erst vor kurzem aus Sachsen herversetzt und merke den 
Abstand. Dort wohnen die Leute beisammen, und deshalb müssen sie 
schon höflich und nachgiebig und bethulich mit einander sein. Aber 
hier sitzt ein jeder aus seinem Kampe, hat sein Holz, sein Feld, seinen 
Wiesenwachs um sich, als gäbe es sonst nichts in der Welt. Darum
	        
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