Full text: [Teil 7 = (8. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 7 = (8. Schuljahr), [Schülerband])

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82. vobrilugk. 
Über die zahllosen Riesernwurzeln, die wie verhärtete Lchlangen 
quer über dem grausandigen weg lagen, schlich müde und matt ein 
Rößlein, das einen Reiter trug. Mißmut lagerte auf den offnen, edeln 
Zügen des Mannes, und ungeduldig durchforschten seine blauen Rügen 
den endlosen Wald, worin er seit Mittag dahinritt, nach den Lpuren 
einer Rnsiedlung. Lin tüchtiges Lchwert an der Seite kündete den 
Mann ritterlichen Standes, die Laute auf dem Rücken den fahrenden 
Länger. Ls war kein Geringerer als Herr Walter von der vogelweide, 
der im herbst des Jahres 1212 im Dienst des Markgrafen Dietrich von 
Meißen nach dem Lausitzer Kloster vobrilugk ritt, dem Rbt eine ge¬ 
heime Botschaft zu bringen. Endlich beendete der dünne Ton eines 
Glöckleins, das zur Vesper läutete, die Ungeduld des Reisenden,- der 
Wald öffnete sich, und inmitten einer weiten grünen Wiesenfläche, 
aus der die Rinder weideten, lag umgeben von hölzernen Ställen 
und Lcheuern ein romanisches Rirchlein und ein bescheidenes Wohn¬ 
haus der Rlosterleute. Roch war die ganze Anlage unfertig,- die weiß- 
röckigen Zisterzienser, die herbeiliefen, den Fremdling zu sehen, waren 
bestäubt wie Maurer und Rckersleute, die von hartem Tagewerk heim¬ 
kehren. Die Rbendkost am Tisch des Rbts war derb und schlicht, der 
wein verriet seinen nordischen Ursprung, die Nachtruhe auf hartem 
Lager war durch das heulen des Wolfs und das Rauschen des Regens 
getrübt, die Rückreise am nächsten Morgen durch Nebel und grundlose 
Wege. 
Rls Herr Walter im Winter darauf im kalten Turmzimmer der 
Burg zu Meißen den Lchnee fallen sah und auf den gegenüberliegenden 
Feldern des Lehmberges den heiseren Zchrei der Nebelkrähe vernahm, 
als er sich fröstelnd ins Ltroh seines Bettes verkroch und ein inbrün¬ 
stiges Lied der Lehnsucht nach dem Frühlinge von seinen Lippen floß, 
da trat ihm als das Rläglichste, was er auf seinen Reisen gesehen hatte, 
vobrilugk vor die Leele, und so entstand die Ltrophe: 
Ich bin verlegen wie Lsau, 
mein glattes haar ist mir worden rauh: 
Lüßer Lommer, wo bist du? 
wie gern säh ich dem Pflüger zu! 
LH' daß ich lange in solcher Truh' 
beklemmet wäre, als ich bin nu: 
ehe würd' ich Mönch zu Toberlu! 
Man begreift Walters Rbscheu vor dem Gedanken, sein Leben 
in vobrilugk verbringen zu müssen, wenn man, wie es mir vergönnt
	        
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