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Menschen in dem Gefühl des Ewigen und Unvergänglichen mit der freudigsten 
Hingebung alle ihre Zeitlichkeit und ihr Leben darbringen können, als seien sie 
nichts. Kaum war der königliche Wille erschollen, so erkannte das Volk ihn 
durch die Art, wie es gehorchte, ja, wie es dem königlichen Befehl vorauslief, als 
seinen Willen. Von Memel bis Demmin, von Kolberg bis Glatz war nur eine 
Stimme, ein Gefühl, ein Zorn und eine Liebe, das Vaterland zu retten. 
Deutschland zu befreien und den französischen Übermut einzuschränken. Jüng⸗ 
linge, die kaum wehrhaft waren, Männer mit grauen Haaren und wankenden 
Knieen, Offiziere, die wegen Wunden und Verstümmelungen lange ehrenvoll ent⸗ 
lassen waren, reiche Gutsbesitzer und Beamte, Väter zahlreicher Familien und 
Verwalter weitläufiger Gehöfte, in Hinsicht jedes Kriegsdienstes entschuldigt, 
wollten sich selbst nicht entschuldigen; ja, selbst Jungfrauen drängten sich unter 
mancherlei Verstellungen und Verlarvungen zu den Waffen; alle wollten sich üben, 
rüsten und für das Vaterland streiten und sterben. Jede Stadt, jeder Flecken, 
jedes Dorf schallte von Kriegslust und Kriegsmusik und war in einen übungs⸗ 
und Waffenplatz verwandelt; jede Feueresse ward eine Waffenschmiede. Das war 
das Schönste bei diesem heiligen Eifer und fröhlichen Gewimmel, daß alle Unter⸗ 
schiede von Ständen und Klassen, von Altern und Stufen vergessen und auf— 
gehoben waren, daß jeder sich demütigte und hingab zu dem Geschäft und Dienst, 
wo er der brauchbarste war, daß das eine große Gefühl des Vaterlandes und 
seiner Freiheit und Ehre alle andern Gefühle verschlang, alle andern sonst er⸗ 
laubten Rücksichten und löblichen Verhältnisse aufhob. Die Menschen fühlten es, 
sie waren gleich geworden durch das lange Unglück, sie wollten auch gleich sein 
im Dienst und im Gehorsam. Und so sehr erhob die große Pflicht und das 
gemeinsame Streben, wovon sie beseelt waren, alle Herzen, daß das Niedrige, 
Gemeine und Wilde, dem in getümmelvollen Zeiten der Bewaffnungen und 
Kriege eine so weite Bahn geöffnet ist, nicht aufkommen konnte. Die heilige 
Begeisterung dieser unvergeßlichen Tage ist durch keine Ausschweifung und Wild— 
heit entweiht worden; es war, als fühlte auch der Kleinste, daß er ein Spiegel 
der Sittlichkeit, Bescheidenheit und Redlichkeit sein müsse, wenn er den Übermut, 
die Unzucht und Prahlerei besiegen wollte, die er an den Franzosen so sehr ver— 
abscheut hatte. Was die Männer so unmittelbar unter den Waffen und für die 
Waffen thaten, das that das zartere Geschlecht der Frauen durch stille 
Gebete, brünstige Ermahnungen, fromme Arbeiten, menschliche Sorgen und 
Mühen für die Ausziehenden, Kranken und Verwundeten. Wer kann die 
unzähligen Opfer und Gaben dieses großen Sommers zählen, die zum Teil 
unter den rührendsten Umständen dargebracht sind? Wer kann die dem Vater⸗ 
lande ewig teuern Namen der Frauen und Jungfrauen aufrechnen, die in 
einzelnen Wohnungen oder in Krankenhäusern die Nackenden gekleidet, die 
Hungrigen gespeist, die Kranken gepflegt und die Verwundeten verbunden haben? 
So geschah es von einem Ende des Reichs bis zum andern; doch gebührt
	        
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