Full text: Vaterländische Geschichte

— 64 — 
Waisen das Ihrige wider Gott und Ehren so schändlich nehmen und be¬ 
rauben soll, wie es vieler Orten in mancherlei Gestalt geschehen ist." Die 
zwölf Artikel wurden als Flugblatt gedruckt und in vielen Tausenden von 
Exemplaren durch ganz Deutschland verbreitet. 
Wohlwollende Männer erkannten manche Forderungen als berechtigt 
an, und es war gar nicht ausgeschlossen, daß man sich besinnen und all¬ 
mählich verschiedene der Forderungen zugestehen würde. Leider ließen sich die 
Bauern von Schwarmgeistern, wie Thomas Münster, aufregen und forderten 
sogar Beseitigung des Eigentums und Einführung der Gütergemeinschaft. 
Gewaltige Aufstände brachen in Schwaben, im Elsaß, in Thüringen und 
Franken aus. Blutige Greuel wurden an allen Orten verübt, unzählige 
Klöster und adelige Höfe gingen in Feuer auf; Priester, Mönche und Edel¬ 
leute, sogar Frauen und Kinder, wurden auf die schrecklichste Weise mi߬ 
handelt und getötet. Da erklärte Luther, man solle gegen solche Mord- 
buben das Schwert ziehen und sie unbarmherzig niederhauen. 
Die Fürsten und der Adel thaten sich denn auch zusammen und 
schlugen die meist führerlosen Bauernhaufen. Mit begreiflicher Grausamkeit 
verfuhren sie mit den Unterworfenen; denn es lagen allein in Thüringen 
70 Klöster in Schutt und Asche, in Franken 292 Schlösser und 52 
Klöster. Klüglich ward die Lage der Unterworfenen und verschlimmerte 
sich derart, daß die meisten Bauern zur vollen Leibeigenschaft herabsanken. 
Die Wiedertäufer. Gefährlich für die Ruhe in Deutschland wurde auch eine Sekte 
der christlichen Kirche, deren Anhänger die Kiiidertaufe verwarfen und die Erwachsenen 
noch einmal tauften und daher Wiedertäufer genannt wurden. Sie tauchten zuerst in 
Zwickau auf (Zwickauer Propheten), dann in Mühlhausen, wo Thomas Münzer ihr 
Prophet war. Später treffen wir Anhänger dieser Sekte hauptsächlich in Münster. Die 
Sekte vermehrte sich durch Überläufer aus Holland, unter diesen befand sich auch Johann 
Bockolt, ein Schneider aus Leyden. Bald wurde ihre Zahl und Macht in Münster so 
groß, daß sie die Stadtverwaltung ganz in ihre Hände bekamen. Der Bischof wurde 
flüchtig, und Johann Bockolt versprach die Gründung eines „neuen Reiches Gottes", in 
dem Münster, „das neue Zion", schon im voraus zur Hauptstadt ernannt wurde. Der 
unternehmungslustige Schneider ließ sich zum Könige dieses Reiches krönen, führte Viel¬ 
weiberei ein und ließ jeden grausam hinrichten, der sich der neuen Ordnung nicht fügte. 
In seinem Regiment unterstützten ihn Knipperdolling und Krechting. Nachvem die fried¬ 
lichen Bürger der Stadt Wochen in Furcht und Entsetzen hingebracht hatten, rückte der 
Bischof mit einem starken Heere gegen die unglückliche Stadt und nahm sie nach hart¬ 
näckigem Widerstände ein. Die drei Rädelsführer wurden mit glühenden Zangen zu 
Tode gezwickt, ihre Leichen in drei Käfige gesteckt und an dem Turme der Lambertikirche 
aufgehängt (1536). Die meisten Wiedertäufer traten in die katholische Kirche zurück; die 
andern zerstreuten sich im Reiche. 
VI. Die Zeit des dreihigjähr. Krieges. 
1. Der dreißigjährige Krieg. 
Ursachen des Krieges. Der Augsburger Religionsfrieden hatte 
keineswegs Frieden gestiftet zwischen den beiden großen Religionsgesell¬ 
schaften. Mißtrauisch standen sie einander gegenüber, und die Geistlichen 
führten harten Feder- und Wortkampf, der auch nicht geeignet war, die 
Gemüter zu besänftigen. Um für alle Fälle gerüstet zu sein, schlossen die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.