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Bilder aus der älteren deutschen Geschichte.
ein riesenhaftes deutsches Weib entgegen trat und ihm in drohender
Haltung die Worte zurief: „Wohin noch strebst Du, unersättlicher
Drusus? Alle unsere Länder möchtest Du sehen, aber das Schicksal
will es nicht! Fliehe von dannen: Du stehst am Ende Deiner Thaten
und Tage!" Mit Entsetzen erfüllt, wandte er um, aber er fand bald
darauf seinen Tod. Später wurde Varus als-Statthalter an den Rhein ge-
geschickt. — Er ging bald auf das rechte Rheinufer hinüber und suchte zu¬
nächst auf listige Weise die Deutschen unter die römische Herrschaft zu beugen.
Mit der größten Freundlichkeit nahete er sich den deutschen Männern,
brachte ihnen schöne Geschenke und nahm viele in seinen Dienst. Das
gefiel den Deutschen, und wenn Varus diese schlauen Eroberungskünste
noch längere Zeit fortgesetzt hätte, so wäre das freie Deutschland nach
und nach vollständig römisch geworden. Doch es sollte anders kommen.
Als Varus nämlich sah, daß die Deutschen mehr und mehr römische
Sitte annahmen, wurde er bald dreister. — Er zog noch weiter ins
deutsche Land hinein und schlug sein Lager an der Weser auf, im Lande
der Cherusker. Hier fing er nun an, den Herren zu spielen. Zunächst
legte er den Deutschen schwere Abgaben auf; die freien Männer sollten
dem römischen Eindringling Steuern zahlen, was alle mit Haß und
Bitterkeit erfüllte. Damit war es noch nicht genug. Varus führte
weiterhin römisches Gerichtswesen gewaltsam ein und ließ die Deutschen
mit Ruten und Peitschenhieben bestrafen. — Ja, es kam sogar vor,
daß der freie deutsche Mann mit dem Henkerbeile hingerichtet wurde,
während doch sonst nur nach deutschem Rechte Verräter und Feiglinge
eines solchen ehrlosen Todes starben. Da wurde das deutsche Volk von
dem bittersten Groll gegen Varns erfüllt, und es war darauf bedacht,
so schnell wie möglich die Fesseln zu zersprengen. —
2. Armin, der deutsche Freiheitsheld. Nun lebte im Volke der
Cherusker ein edler Jüngling, Armin oder Hermann mit Namen. Das
war ein Fürstensohn, aber zugleich von der Fußsohle bis zum Scheitel
ein echt deutscher Manu. — In vollem lichtgoldenen Gelock wallte das
Haupthaar auf die Schultern herab, und das schöne Antlitz schmückten
herrlich blaue Augen, aus denen Mut und edler Freiheitsstolz leuchteten.
— An seiner Seite hing das scharfgeschlisfene Schwert, das er wohl zu
führen verstand. In der Brust dieses Mannes schlug ein echt deutsches
Herz, das die Liebe zur Freiheit durchglühte, aber welches auch tiefes
Mitleid empfand mit dem armen Volke, das von dem frechen Römer so
sehr geknechtet wurde. —- Hermann hatte schon eine Zeitlang im römischen
Heere gedient und hier die römische Kriegsführung erlernt. Varus be¬
trachtete ihn als feinen Freund und vertrauete ihm alles an, was er