fullscreen: Lesebuch für die reifere weibliche Jugend

394 
1 
Eltern förmlich abkaufen, und der Braut muhte er ein aufge¬ 
zäumtes Roh. Schild und Speer schenken, wogegen auch sie ihm 
einige Waffenstücke überreichte. Die Heiligkeit der Ehe 
wurde mit der gröhten Strenge aufrechterhalten und Untreue der 
Frau aufs härteste bestraft. Der Mann jagte die untreue Frau. 
nachdem er sie ihrer Haare beraubt hatte, in Gegenwart ihrer 
Verwandten aus dem Haufe und peitschte sie durch den ganzen 
Ort. Die Frau war aber auch in der Regel dem Manne so treu. 
dah selten eine Witwe sich wieder verheiratete, sondern sich oft mit 
der Leiche des Gatten auf dem Scheiterhaufen verbrennen lieh. 
Wie Frauen dem Manne Waffen zubrachten, so folgten sie ihm 
auch in die Schlacht: ihnen war dann die Bewachung der 
Wagenburg anvertraut, die sie oft mutig verteidigten, und manche 
schon verlorne Schlacht wurde durch sie wiederhergestellt. 
Im Hause war die Frau die Herrin, und sie führte über das 
ganze Hauswesen die Aufsicht. Unter ihr standen die Knechte 
und Mägde, denen sie ihre Arbeiten zuwies, sie besorgte mit Hilfe 
der Knechte das Feld: sie bereitete die Speise und Kleidung. Ge- 
fähe und was man sonst brauchte: sie war auch Helferin und 
Pflegerin in den freilich selten vorkommenden Krankheiten. 
Eins ihrer Hauptgeschäfte war die Erziehung der 
Kinder, die. von ihr genährt, ganz unter ihrer Leitung auf¬ 
wuchsen. Gleich nach der Geburt wurde das Kind in kaltes Wasser 
getaucht, und auch die ganze Erziehung war auf Abhärtung be¬ 
rechnet. Dabei wurden der Freigeborne und der Knecht gleich 
hart gehalten, bis das Lebensalter den Freien aussonderte. Rach 
dem Tode des Vaters erbten die Söhne allein das väterliche 
Stammgut. die Töchter hatten keinen Teil daran. 
Das Glück des Hauses ist die kostbare Gabe, mit der die 
dunklen Wälder Germaniens Europa beschenkten. Die Freiheit, 
die Achtung, die Ehre der Frauen, sie ist deutschen Ursprungs, sie 
verdankt ihre feste Bedeutung den Zeiten, wo germanische Stämme 
unserm Weltteile Gesetze gaben. Und durch alle die finstern Jahr¬ 
hunderte des Mittelalters hindurch ging doch des Hauses Friede 
dem Deutschen über alles. Soweit nur von deutscher Sitte uns 
Kunde zugekommen, umweht ein stiller Friede den Herd des 
deutschen Mannes. Zucht und Sitte wohnt in seinen Hallen. 
II. Von der Völkerwanderung bis zu Karl dem Großen. 
Seit der Völkerwanderung und der Einführung des Christen¬ 
tums bei den germanischen Völkern hatten sich die Lebensverhält¬ 
nisse. besonders auch die Stellung der Frauen, bedeutend geändert. 
In frühern Zeiten wurde die Braut gekauft. Sie bekam 
keinen Vrautschatz, sondern nur eine ihrem Stande angemessene 
Ausstattung an Kleidern und Schmuck. Bei der Vermählung, 
die häufig öffentlich gefeiert wurde, war es schon in uralten Zeiten 
Sitte, Ringe zu wechseln, statt deren man zuweilen sich auch eines 
Fadens oder Bandes bediente: öfter aber brachte der Bräutigam
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.