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Eltern förmlich abkaufen, und der Braut muhte er ein aufge¬
zäumtes Roh. Schild und Speer schenken, wogegen auch sie ihm
einige Waffenstücke überreichte. Die Heiligkeit der Ehe
wurde mit der gröhten Strenge aufrechterhalten und Untreue der
Frau aufs härteste bestraft. Der Mann jagte die untreue Frau.
nachdem er sie ihrer Haare beraubt hatte, in Gegenwart ihrer
Verwandten aus dem Haufe und peitschte sie durch den ganzen
Ort. Die Frau war aber auch in der Regel dem Manne so treu.
dah selten eine Witwe sich wieder verheiratete, sondern sich oft mit
der Leiche des Gatten auf dem Scheiterhaufen verbrennen lieh.
Wie Frauen dem Manne Waffen zubrachten, so folgten sie ihm
auch in die Schlacht: ihnen war dann die Bewachung der
Wagenburg anvertraut, die sie oft mutig verteidigten, und manche
schon verlorne Schlacht wurde durch sie wiederhergestellt.
Im Hause war die Frau die Herrin, und sie führte über das
ganze Hauswesen die Aufsicht. Unter ihr standen die Knechte
und Mägde, denen sie ihre Arbeiten zuwies, sie besorgte mit Hilfe
der Knechte das Feld: sie bereitete die Speise und Kleidung. Ge-
fähe und was man sonst brauchte: sie war auch Helferin und
Pflegerin in den freilich selten vorkommenden Krankheiten.
Eins ihrer Hauptgeschäfte war die Erziehung der
Kinder, die. von ihr genährt, ganz unter ihrer Leitung auf¬
wuchsen. Gleich nach der Geburt wurde das Kind in kaltes Wasser
getaucht, und auch die ganze Erziehung war auf Abhärtung be¬
rechnet. Dabei wurden der Freigeborne und der Knecht gleich
hart gehalten, bis das Lebensalter den Freien aussonderte. Rach
dem Tode des Vaters erbten die Söhne allein das väterliche
Stammgut. die Töchter hatten keinen Teil daran.
Das Glück des Hauses ist die kostbare Gabe, mit der die
dunklen Wälder Germaniens Europa beschenkten. Die Freiheit,
die Achtung, die Ehre der Frauen, sie ist deutschen Ursprungs, sie
verdankt ihre feste Bedeutung den Zeiten, wo germanische Stämme
unserm Weltteile Gesetze gaben. Und durch alle die finstern Jahr¬
hunderte des Mittelalters hindurch ging doch des Hauses Friede
dem Deutschen über alles. Soweit nur von deutscher Sitte uns
Kunde zugekommen, umweht ein stiller Friede den Herd des
deutschen Mannes. Zucht und Sitte wohnt in seinen Hallen.
II. Von der Völkerwanderung bis zu Karl dem Großen.
Seit der Völkerwanderung und der Einführung des Christen¬
tums bei den germanischen Völkern hatten sich die Lebensverhält¬
nisse. besonders auch die Stellung der Frauen, bedeutend geändert.
In frühern Zeiten wurde die Braut gekauft. Sie bekam
keinen Vrautschatz, sondern nur eine ihrem Stande angemessene
Ausstattung an Kleidern und Schmuck. Bei der Vermählung,
die häufig öffentlich gefeiert wurde, war es schon in uralten Zeiten
Sitte, Ringe zu wechseln, statt deren man zuweilen sich auch eines
Fadens oder Bandes bediente: öfter aber brachte der Bräutigam