Full text: Kriegserzählungen für die Kleinen

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40. Erst melden» dann sterben. 
Der Stab eines Bataillons hatte seinen Sitz in einem 
zerschossenen Hause. Durch ein Telephon verständigte 
sich der Befehlshaber mit seinem Bataillon. Auf einmal 
versagte es; die Leitung war unterbrochen. Sofort machte 
sich ein junger Telephonist, ein Kriegsfreiwilliger, auf, 
um den Schaden auszubessern. Nach einer Viertelstunde 
war der Fernsprecher wieder in Ordnung. Bald darauf 
brachte man den Telephonisten schwerverwundet daher. 
Eine Granate hatte ihm den Leib aufgerissen, und er 
war dem Tode nahe. Noch einmal schaute er den Major 
an und meldete vorschriftsmäßig: „Leitung wieder her¬ 
gestellt." Dann starb er. Ein alter Landsturmmann, der 
dabei stand, sagte: „So ist es recht: erst melden und dann 
sterben." 
41. Ich hatt' einen Kameraden. 
Ein tapferer bayerischer Leutnant hatte einen treuen 
und anhänglichen Burschen. Der hieß Sepp. Was er 
seinem Herrn nur an den Augen absehen konnte, das tat 
er. Selbst im Kugelregen blieb er stets an dessen Seite. 
Sepp konnte sehr schön Mundharmonika spielen und 
bereitete so den Soldaten manche frohe Stunde. Eines 
Tages sagte der Leutnant zu ihm: „Sepp, wenn ich einmal 
fallen sollte, so blase mir das Grablied." An der $ser fand 
der junge Leutnant bald darauf den Heldentod. In einem 
kleinen Garten wurde der Held begraben. Da setzte sich 
Sepp an das Grab und spielte das bekannte Soldatenlied 
„Ich hatt' einen Kameraden" mit dem Zusatz: „Die 
Vöglein im Walde." Er blies es immer wieder von neuem 
bis zum Abend und wollte sich gar nicht vom Grabe 
trennen. Zuletzt mußte er mit Gewalt fortgeholt werden, 
damit er nicht in Feindeshand falle; denn die Engländer 
waren im Anzug. Seit jenem Tage aber blies Sepp 
keinen Ton mehr. Er hatte seine Harmonika aus Gram 
ins Wasser geworfen.
	        
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