36 Brandenburg und Preußen unter den Hohenzollern.
31. Der große Kurfürst als Uandesvater.
Friedrich Wilhelm als Gründer des Staates. Der große Kur¬
fürst hatte besonders das Ziel im Auge, einen mächtigen Staat zu gründen,
welcher dem deutschen Reich gegenüber eine möglichst selbständige Stellung ein¬
nehmen sollte. Da Friedrich Wilhelm dieses Ziel erreicht hat, so ist er als der
Schöpfer und Begründer des preußischen Staates anzusehen. Aus den zerstreu¬
ten hohenzollernschen Besitzungen bildete er eine starke norddeutsche Macht.
Zum Schutze des Landes vermehrte er die Truppenzahl nach und nach
derartig, daß dieselbe bei seinem Tode mindestens 25000 Mann betrug.
Außerdem aber hinterließ er seinem Nachfolger auch noch infolge weiser
Sparsamkeit einen Staatsschatz von fast 2 Millionen Mark. Darum ge¬
bührt ihm mit Recht der ehrende Beiname: „Der Große."
Kolonialversuche. Zur Zeit des Krieges mit Schweden hatte
der Kurfürst sogar einige Kriegsschiffe ausrüsten lassen. Diese schickte er
später an die Küste von Guinea in Afrika, um mit den Negern Handels¬
verkehr anzuknüpfen. Zum Schutze des Handels ließ er mehrere Punkte
besetzen und befestigen und legte das Fort Groß-Friedrichsburg an.
Da aus dem afrikanischen Handel indes kein bedeutender Vorteil zu er¬
zielen war, so wurde die ganze Besitzung in Guinea später durch König
Friedrich Wilhelm I. für einen geringen Preis an die Holländer verkauft.
Schutz der französischen Reformierten. König Heinrich IV. von
Frankreich hatte den französischen Reformierten (Hugenotten) durch das
Edikt von Nantes*) (1598) Religionsfreiheit und Gleichberechtigung mit
den Katholiken gewährt. Ludwig XIV. von Frankreich hob (1685) das
Edikt von Nantes auf und verfolgte die Reformierten im Reiche. Da forderte
der große Kurfürst feine Glaubensgenossen auf, in fein Land zu kommen.
Trotzdem die Auswanderung in Frankreich verboten war, gelang es doch
vielen Tausenden, ins Ausland zu fliehen. Friedrich Wilhelm wies den
Flüchtlingen, die nach Brandenburg kamen, verschiedene Dörfer und Städte
zu Wohnplätzen an und gewährte ihnen mancherlei Unterstützungen. Die
meisten siedelten sich in Berlin an und gründeten hier die sogenannte fran¬
zösische Kolonie. Unter diesen Franzosen waren Militärs, Gelehrte
und Handwerker, welche im Lande eine Menge von Kenntnissen und Fertig¬
keiten verbreiteten.
Die schlesischen Herzogtümer. Daß auf Österreichs Freundschaft
nicht zu bauen war, mußte der Kurfürst auch noch bei einer anderen Ge¬
legenheit erfahren. Als nämlich (1675) der letzte Herzog von Liegnitz,
Brieg und Wohlau gestorben war, bewarb sich der Kurfürst um den Besitz
dieser Länder, weil dieselben nach dem vom Kurfürsten Joachim II. ab¬
geschlossenen Erbvertrage hätten an Brandenburg fallen müssen. Doch
Kaiser Leopold I. nahm als Oberlehnsherr von Schlesien die schlesischen
Herzogtümer selbst in Besitz und verweigerte die Herausgabe. Als Ent¬
schädigung mußte sich der Kurfürst mit dem Kreise Schwiebus (im
Reg.-Bez. Frankfurt) begnügen, den jedoch fein Nachfolger wieder abtrat.
Rechtspflege. Der große Kurfürst war bestrebt, überall Recht und
Gerechtigkeit zu schaffen. Die Prozesse sollten beschleunigt und die Ge¬
richtskosten ermäßigt werden. Er sann auf Mittel, dem Wucher der Geld¬
besitzer, der Überteuerung der Reisenden durch die Wirte und überhaupt
aller Übervorteilung ein Ende zu machen. Wenn man feinen guten Willen
*) Nantes liegt an der Loire.