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ivordeu. Ein König, der schon in seiner ersten politischen Jugendschrift,
im Autirnacchiavell, die Meinung aussprach, der Fürst sei nicht Herr
seiner Unterthanen, sondern deren Diener (domestique), und kein Mensch
habe das Recht, sich eine unbeschränkte Herrschaft über die anderen anzu¬
maßen, der die Wahrheit des Satzes anerkannte, es sei besser, von Ge¬
setzen abzuhängen als von der Laune eines einzigen, ein solcher König
wurde nicht mit Unrecht von den Trägern der alten Versailler Monarchie
als ein gefährlicher Eindringling angesehen. Und er blieb bei den
Worten nicht stehen. Wie er sich gegen die alten Anschauungen von der
Gewalt und vom Gehorsam richtete, so verließ er die politische Über¬
lieferung feiner beiden Vorgänger, lehnte sich gegen den Kaiser und die
alte Reichsversassuug auf, griff mit gewaltsam umgestaltender Hand in
die alte Ordnung der europäischen Verhältnisse ein, schuf eine neue
Gruppierung der Staaten und ihres Gleichgewichts. Aber auch die
Gedanken und Ansichten des Königs wirkten im Zusammenhang mit
feinen Thaten bedeutungsvoll genug auf die Umwälzung der Geister, die
in Friedrichs Zeitalter vorgegangen ist.
Die Anschauung des Königs war zu groß und umfassend, als daß
er an die Vollkommenheit und Ewigkeit einer Staatsform hätte glauben
können. Die Feudalität mit ihren vielen aristokratischen Gewalten
erschien ihm nur als eine Pflanzschule bürgerlicher Unruhen, als eine
Quelle allgemeinen Unheils für die Gesellschaft. Ihre verderbliche Ent¬
artung nötigte ihm ein Geständnis ab, das wir bei dem größten und
glücklichsten Vertreter deutschen Landesfürstentums kaum erwarten sollten.
In Deutschland, sagt er, find diese Vasallen unabhängig geworden; in
Frankreich, England und Spanien hat man sie unterworfen. Das einzige
Muster — fügt er hinzu -— das wir von dieser abscheulichen Regierungs¬
form noch übrig haben, ist die Republik Polen; und dabei scheint er
kaum daran zu denken, daß ja Deutschland selbst, wenn auch in anderer
Weise entwickelt, einen ähnlichen Wust aristokratischer Unförmlichkeiten
darbot wie der in Auslösung begriffene Staat der Jagellonen.
Um die Monarchie bewegten sich die Gedanken des Königs; aber
Es hat nie ein Fürst aus einem Throne gesessen, dessen Anforderungen
an die Monarchie größer gewesen wären als die Friedrichs. Sie ist,
sagt er, die schlechteste oder die beste aller Regierungsformen, je nachdem
sie geführt wird. Er verlangte von einem rechten König eine Kenntnis,
eine Fürsorge, eine Klugheit und Unabhängigkeit, wie sich selten in einer
Persönlichkeit vereinigt findet; er schilderte die Folgen eines abhängigen,
unentschlossenen, verworrenen und planlosen Fürstenregiments so beredt
und treu, als wäre er selber noch lebender Zeuge des Versalls und
Unterganges feiner glorreichen Monarchie gewesen. Eine Monarchie,
in welcher durch die llnthätigMt oder Unfähigkeit des Regenten die
Gänge des Uhrwerks gestört sind, eine Monarchie, worin man sich ge¬
wöhnt hat, die Interessen der Krone und die des Volkes als verschieden
zu betrachten, erscheint ihm so verderblich, als es nur immer die „ab¬
scheuliche Junkeraristokratie" in Polen sein mochte. „Der Fürst", sagte