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Stunde und am rechten Platze alles zur Entscheidung sich zu¬
sammenfinde.
Auf dem Gipfel aller Ehren, mit welchen der oberste Kriegsherr
den Helden schmückte, der an der Aufrichtung des Kaiserthrones einen
so wesentlichen Anteil hatte, im vollen Genusse der begeisterten Aner¬
kennung oon allen Deutschen im In- und Auslande, die durch seine
Siege sich wieder gehoben und geeinigt fühlten, bewundert von allen
Zeitgenossen als einer der ersten Männer des Jahrhunderts, ist er
immer derselbe demütige, anspruchslose Mann geblieben, der so schlicht
und einfach unter uns umherging, als wenn er nichts Besonderes gethan
hätte. Ein Wort, ein Blick, eine Gebärde, welche einen Geringeren ver¬
letzen konnte, war ihm unmöglich.
Er vereinigte in sich, was wir so selten in einer Persönlichkeit
vereinigt finden. Ein Mann der That, der schon als Erforscher Asiens
keine Lebensgefahr scheute, ein unerschrockener Krieger, der auch als
Schlachteulenker sich bei seinen Rekognoszierungen bis über die äußersten
Schützenlinien vorwagte, ein Mann, der vom Generalstabsgebäude aus
mit wachsamem Umblick unablässig beschäftigt war, alle Heere Europas,
alle Änderungen der Waffen und Waffentechnik, alle Erfindungen des
Festnngsbanes, alle Fortschritte des Verkehrswesens scharf im Auge zu
behalten, um jede Erfahrung unverzüglich für die Erhöhung der vater¬
ländischen Wehrkraft zu verwerten — und bei dieser ununterbrochen
nach außen gerichteten Wachsamkeit und Wirksamkeit blieb er immer der
in sich Gesammelte, der denkende Geist, dem ernste Forschung ein Lebens¬
bedürfnis war, voll lebendiger Teilnahme an Kunst und Wissenschaft.
Wenn also schon im Altertum darüber gestritten wurde, welchem Leben
der Vorzug gebühre, dem beschaulichen Leben des Weisen, der an seinem
ruhigen Auge die Weltbegebenheiten vorüberziehen sieht, oder dem prak¬
tischen Leben des Staatsmannes und Feldherrn, so hat Moltke in
seltener Weise beides in sich vereinigt, ein unvergleichlicher Zeuge dafür,
daß bei voller Entwicklung des Denkvermögens die männliche Thatkraft
unversehrt bleiben kann, und daß es ein Deutscher war, der diese Doppel-
kraft bis in das höchste Alter sich bewahren konnte, das ist es, wofür
wir Gott von Herzen danken.
Moltke ist ein reich begnadigter Mensch gewesen im Leben wie im
Sterben. Mit dankbarem Gemüt hat er selbst den Segen anerkannt,
der sein Wirken begleitet hat. Schon bei der Heimkehr von Königgrätz
hörte man ihn sagen: „Es ist schön, wenn der Herr einem Manne den
Lebensabend so erhellt, wie er es dem Könige und vielen seiner Generale
gethan; auch ich bin jetzt 66 Jahre alt und für mein Wirken in diesem
Leben habe ich einen so herrlichen Lohn erhalten, wie wohl wenige
Menschen. Wir haben einen Feldzug geführt, der für Preußen, für
Deutschland, für die Welt eine unermeßliche Bedeutung hat. Gottes
Gnade hat unser redliches und thatenkrästiges Streben mit glorreichen
Siegen belohnt. Wir alten Leute aus dem böhmischen Feldzuge
können uus rühmen, welche harten Kämpfe wir auch in unserem