— 37 -
freiheit Anspruch machte; als man ernstlicher davon sprach, ihn einzu¬
kleiden , ging er davon und suchte sein Glück in den Bahnen der auf¬
kommenden Litteratur. Was hat er da nicht alles bestehen müssen: Pest
und Schissbruch; Verjagung eines Lehrers, dem er dann folgt; Beraubung
durch die, welche ihn eben unterstützt; eine abscheuliche Krankheit, die er
sich im 20. Jahre zugezogen; die Mißachtung, in welche Mangel und
ein schlechter Auszug besonders in der Fremde, zu bringen pflegen;
seine Familie that nicht, als ob er ihr angehöre; sein Vater betrachtete
ihn mit einer gewissen Ironie. Aber immer behielt er den Mut oben,
den Geist unbenommen und frei: allen seinen Feinden bot er Trotz: sich
zu wehren, litterarisch zu schlagen, ward ihm Natur. Zuweilen waren
es mehr persönliche Angelegenheiten, die er auf dem Felde der Litteratur
ausfocht: z. B. die Mißhandlung, die er von feinen Greifswalder Gast¬
freunden erfuhr; er rief alle feine Genoffen von den Poetenfchulen zur
Teilnahme an dieser Unbill auf, die gleichsam allen begegnet fei; —
oder er hatte die Forderung zu widerlegen, die schon ihm, schon damals
entgegentrat, daß man etwas fein, ein Amt bekleiden, einen Titel haben
müsse; — oder jene unverantwortliche Gewaltthat des Herzogs von
Württemberg an einem feiner Vettern regte ihn zu stürmischer Anklage
auf. Allein noch lebendiger inspirierte ihn feine kriegerische Muse in den
allgemeinen, vaterländischen Dingen. Das Studium der römischen Lit¬
teratur, in der die Deutschen eine so glorreiche Rolle spielen, hat nicht
selten die Wirkung gehabt, unseren Patriotismus zu erwecken. Die
schlechten Erfolge des Kaisers in dem venezianischen Kriege hielten
Hutten nicht ab, ihn doch zu preisen: die Venezianer behandelt er ihm
gegenüber nur als emporgekommene Fischer; den Treulosigkeiten des
Papstes, dem Übermut der Franzosen setzt er die Thaten der Lands¬
knechte, den Ruhm des Jakob vou Ems entgegen; in langen Gedichten
führt er ans, daß die Deutschen noch nicht ausgeartet, daß sie noch
immer die Alten seien. Als er ans Italien zurückkam, war eben der
Kampf der Reuchliuisten gegen die Dominikaner aufgebrochen: er stellt
sich feinen natürlichen Freunden mit allen Waffen des Zornes und des
Scherzes zur Seite; den Triumph des Meisters feiert er mit feinen
besten Hexametern, die einen sinnreichen Holzschnitt begleiten. Hutten
ist kein großer Gelehrter; seine Gedanken greifen nicht sehr in die
Tiefe: fein Talent liegt mehr in der Unerschöpflichst seiner Ader, die
sich immer mit gleichem Feuer, gleicher Frische, in den mannigfaltigsten
Formen ergießt, lateinisch und deutsch, in Prosa und Versen, in redne¬
rischer Jnvektive und in glücklich dialogisierter Satire. Dabei ist er
nicht ohne den Geist eigener feiner Beobachtung; hie und da, z. B. im
Nemo, erhebt er sich in die heiteren Regionen echter Poesie; feine Feind¬
seligkeiten sind nicht von verstimmend gehässiger Art, sie sind immer mit
ebenso warmer Hingebung nach einer anderen Seite verbunden; er
macht den Eindruck der Wahrhaftigkeit, der rücksichtslosen Offenheit und
Ehrlichkeit; vor allem, er hat immer große, einfache, die allgemeine
Teilnahme fortreißende Bestrebungen, eine ernste Gesinnung; er liebt,