Von b. Erhebg. Preußens z. Königreiche b. z. Grünbg. b neuen Deutschen Reiches zc. 59
als mancher Bürger. Aber jeder wollte der guten Königsfamilie seine Liebe
beweisen. Einst kam der Bauer Abraham Nickel mit seiner Frau nach Memel.
Er brachte 3000 Friedrichsdor, seine Frau trug einen Korb mit frischer Butter.
Der Bauer sprach zu dem Könige: „Gnädigster Herr! Deine Unterthanen
haben von Deiner Not gehört; das thut ihnen leid. Darum brachte unsere
Gemeinde diese Kleinigkeit zusammen. Ich bin abgeschickt und bitte Dich, diese
Gabe anzunehmen. Wir werden nicht aufhören, für Dich zu beten." Dann
überreichte die Bäuerin der Königin den Korb mit Butter und sagte: „Diese
Butter ist rein und gut, aus meiner eigenen Wirtschaft. Die Butter ist jetzt
selten; deshalb dachte ich, diese würde wohl angenehm sein." Die Königin
drückte der Bauernfrau die Hand. Dann nahm sie ihr Umschlagetuch ab und
hängte es ihr um mit den Worten: „Zum Andenken an diesen Augenblick!"
4. Bestrebungen für Preußens Wiedererhebung.
Durch den Frieden zu Tilsit war Preußen tief gefallen; es erhob sich aber
herrlich wieder. Diese Wiedererhebung wurde von dem König selbst, von seiner
Gemahlin und von zwei großen Männern Stein !) und Scharnhorst vor¬
bereitet.
a) Bezahlung der Kriegsschuld. Preußen hatte nach den Be¬
stimmungen des Friedens zu Tilsit 112 Millionen Mark Kriegskosten an
Napoleon zu zahlen. Bis zur Bezahlung dieser Summe verblieben 150 000
Franzosen im Lande. Zunächst suchte der König diese Kriegsschuld abzu¬
zahlen und sein Land von der feindlichen Besatzung zu befreien. Daher
wurden silberne und goldene Schmucksachen der königlichen Familie verkauft
und von dem Gelde die Kriegsschuld bezahlt.
b) Verbesserung der Lage des Landvolkes. Dann wurde Stein
an die Spitze der Verwaltung berufen. Mit dem König verbesserte er die
Lage des Landvolkes durch Aufhebung der Erbunterthänigkeit. Das bedeutet
aber folgendes:
Bis in unser Jahrhundert hinein waren die Bauern reichen, adligen
Gutsherren unterthänig, d. H. sie waren persönlich nicht frei. Sie durften
ihren Wohnsitz nicht verlassen. Der Acker, den die Bauern bearbeiteten, ge¬
hörte nicht ihnen, sondern einem Gutsherrn. Diesem mußten sie sür die Be¬
nutzung des Ackers Getreide, Gemüse, Butter u. s. w. liefern, schwere Dienste
und Abgaben leisten. Die Kinder der Bauern dursten ohne Erlaubnis des
1) Karl Freiherr vom unb zum Stein stammte aus einem Rittergeschlecht in Nassau.
Aus Verehrung Friebrichs bes Großen trat er in bett preußischen Staatsdienst ein.
Von seinen Zeitgenossen würbe er „bes Guten Grunbstein, bes Bösen Eckstein, ber Deut¬
schen Edelstein" genannt.
2) Davib von Scharnhorst stammte aus Hannover unb war ber Sohn eines Bauern.
Bei Auerstäbt kämpfte er unter Blücher unb würbe nach bem Tilsiter Frieben Kriegs¬
minister.