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Vorwerken des Stadtgrundes, sondern auch in der inneren Stadt lebten
viele Bürger von Ackernahrung. Alte Obstpflanznngen umgaben die Dörfer,
und auf den eingefriedeten Höfen tummelte sich viel Geflügel. Auf Stoppel¬
äckern sah man große Gänseherden; auf Wiesen grasten zahlreiche Rinder,
und große Schafherden weideten auf den Feldern. Die Wolle stand in
hohem Preise, und die deutschen Tuche waren berühmt. Man baute vor¬
zügliches Getreide, guten Flachs, Hirse, Wein u. s. w.
Gartenbau. In Thüringen und Franken gediehen an den warmen
Abhängen überall Rebengärten. Es muß damals ein ganz trinkbarer Wein
erzeugt worden sein: denn es werden in alten Berichten einige Weinjahre
als vortrefflich gerühmt. Auch Hopfen wurde fleißig gebaut und zur Bier¬
brauerei, die man sehr lebhaft betrieb, verwendet. Schott- damals war
Erfurt Mittelpunkt eines großen Samenhandels uttd höherer Gartenkultur.
Überhaupt stand kurz vor Ausbruch des 30jährigen Krieges die Landwirt¬
schaft nicht geringer, als 200 Jahre später.
Der 30jährige Krieg. 1618—1648.
116. Der erste Zeitlauf -es 30jährigen Krieges.
Ursache des Krieges. Der Augsburger Religionsfrieden hatte nicht
vermocht, Protestanten und Katholiken mit einander auszusöhnen. Zum
gegenseitigen Schutze schlossen die Lutheraner einen Bund, „Union" genannt,
dem gegenüber die Katholiken einen Gegenbund, die „Liga," stifteten (1609).
In Böhmen war den Herren, Rittern uud königlichen Städten mit ihren
Unterthanen durch den Majestätsbries Kaiser Rudolfs des Zweiten freie
Religionsübuug gestattet. Als aber Kaiser Matthias regierte, stellte sich
heraus, daß der Majestätsbrief verschiedene Deutungen zuließ, und es
wurde eine evangelische Kirche im Lande geschlossen und eine andere nieder¬
gerissen. Da die Protestanten mit ihren Beschwerden von dem Kaiser ab¬
schlägig beschieden wurden, kam es zum Aufstande. Unter Führung des
Grafen Thurn eilten die Protestanten auf das Prager Schloß und warfen
hier die kaiserlichen Räte, welchen sie viele Schuld beimaßen, zum Fenster
hinaus. Diese kamen indes mit dem Schreck davon: denn sie hatten keinen
Schaden genommen. Doch sollte diese Handlung eine gewaltige Wirkung
nach sich ziehen.
Der Aufstand in Böhmen. Kaiser Matthias, der Nachfolger
Rudolfs II., war kurz nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten gestorben,
und Ferdinand II. von Böhmen und Ungarn wurde zum deutschen Kaiser
gewählt. Die Protestanten aber hielten ihn für den größten Feind des
lutherischen Glaubens. Ja, die in Prag versammelten Stände Böhmens
erklärten ihn der Krone dieses Landes für verlustig und wählten den Kur¬
fürsten Friedrich V. von der Pfalz zum Könige. Dieser war das Haupt
der Union und der deutschen Calvinisten. Als er Bedenken trug, die Krone
anzunehmen, sprach seine Gemahlin Elisabeth, eine Königstochter von Eng¬
land, zu ihm: „Du hast dich vermessen, die Hand einer Königstochter an¬
zunehmen, und dir bangt vor der Krone, die man dir freiwillig entgegen¬
bringt! Ich will lieber an der Königlichen Tafel trocken Brot essen, als an
deinem kurfürstlichen Tische schwelgen." So nahm er also die Krone an
und ließ sich zu Prag krönen.
Böhmens Unterwerfung. Hierauf zog der katholische Herzog
Maximilian von Bayern, das Haupt der Liga, mit dem kaiserlich-
bayerischen Heere nach Böhmen und stand vor Prag, ehe Friedrich es sich