Full text: Geschichte Deutschlands von der älteren Zeit bis zur Gegenwart

Greisin Würd aus: jung und unveränderlich ist Werdandi, finster und un¬ 
heilbringend Skuld. Alle drei spinnen des Menschen Lebens- oder Schicksals¬ 
faden, der Glück oder Unglück mit sich bringt. 
7. Wodan, Walhall und die Unterwelt. 
Wodans Gestalt. Wodan oder Odin ist nach dem Glauben der 
alten Germanen der Vater der Götter und Menschen. Der blaue Himmel 
ist sein Gewand, dessen Saum dem Menschenauge als Morgen- und Abend¬ 
röte sichtbar wird. In Asgard oder Asenheim (dem Himmel) thront er in 
seiner Burg Walhall in Goldhelm und Goldharnisch, umgürtet mit dem 
Schwerte und die Kriegslanze in der Rechten haltend. Weisheit und Würde 
ist der Ausdruck seines weißbärtigen Antlitzes, und an Wohlgestalt kommt 
ihm nie ein Sterblicher gleich, trotzdem er nur ein Ange hat. Das andere 
Auge mußte er als Pfand geben, als er in grauer Vorzeit aus dem Brunnen 
der Weisheit trank. 
Wodans Kleinode und seine Tiere. Zwei sehr wichtige 
Kleinode besaß Odin, einen Speer und einen Goldring. Beide waren von 
klugen Zwergen kunstvoll gefertigt und hatten befondere Eigenschaften. Der 
Speer verfehlte nie das Ziel, wohin er auch geworfen wurde, und stets 
kehrte er tu die Hand des Gottes zurück. So war es Odiu möglich, alle 
seine Feiude zu besiegen. Der Goldring aber hatte die Eigenschaft, daß 
von ihm in jeder nennten Nacht acht ebenso schöne und wertvolle Ringe 
abtröpfelten. Durch beide Kleinode wurde Odin der mächtigste und reichste 
Gott. — Aus den Schultern des Götterkönigs sitzen zwei Raben, Hngin 
und Munin (Gedanke und Erinnerung). Sie raunen ihm in die Ohren, 
was sie aus dem Fluge durch die Welt erschauten. Zu seinen Füßen lagern 
zwei blitzäugige Wolfe. Sobald er seilt schneeweißes, achtsüßiges Roß be¬ 
steigt, umflattern die Raben sein Haupt, und mit freudigem Geheul um¬ 
kreisen ihn die Wölfe. Er ist der Lenker der Schlachten, obwohl er selbst 
am Kampse sich nicht beteiligt. Auch schenkt er seinen Lieblingen durchaus 
nicht immer den Sieg. 
Walhall. Walküren. Sobald die gefallenen Helden den letzten 
Odem ausgehaucht haben, werden sie von den Walküren oder Schlachten¬ 
jungsranen aus deren Rossen mit silberbeschlagenen Husen zu den ewigen 
Göttersitzen emporgetragen; denn die Walküren sind Odins Botinnen. Sie 
reiten, geschmückt mit Helm und Schild und goldenem Schuppenharitisch, in 
die Schlacht, beschützen ihre Lieblingshelden im Kampfe und wählen die¬ 
jenigen aus, welche dem Tode geweiht sein sollen; sie erregen und leiten 
die Schlachten. Hat sich jedoch eine solche Jungfrau deu Zorn Odins zu¬ 
gezogen, so wird sie verstoßen und muß die Gattin eines Sterblichen 
werden. — Kommen die mit Todeswunden geschmückten Helden (Einherier) 
in die Goldburg Odius, so gewahren sie eine nie geschaute Herrlichkeit. 
Große Helden werden vom Götterkönig selbst empfangen und auf den 
Ehrenplatz geführt. Die Himmelsburg Walhall ist mit Gold gedeckt und 
hat 540 Thüren: durch jede derselben können 800 Helden zugleich eintreten. 
Hier ist der Wohnsitz der Tapfern; an Tafeln sitzen die Helden beim Mahle, 
und die Walküren durchschreiten mit goldenen Krügen den Saal, um die 
leer gewordenen Trinkhörner stets anss neue zu stillen. Täglich reitet Wodan 
mit ihnen, sobald morgens der Hahn kräht, vor die Thore, wo es lustige 
Kämpfe giebt. Die Heldeu durchbohre» sich mit Speeren, spalten sich die 
Köpfe und teilen wuchtige Hiebe aus, so daß Arme und Beine umherfliegen. 
Ist aber der Kamvf beendet, dann gießen die Walküren lindernden Balsam
	        
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