9. Wilhelm I., der Große. 297
erhob sich in der französischen Presse ein großer Lärm. Napoleon III.
ließ öffentlich verkündigen, daß Frankreich die Herrschaft über das südliche
Nachbarreich nie an einen Hohenzollern kommen lassen werde, weil da¬
durch seine eigene Sicherheit bedroht und das europäische Gleichgewicht
gestört werden würde. Als der Prinz von Hohenzollern wahrnahm,
wie seine Thronbewerbung zu einem Kriege zu führen drohte, verzichtete
er in edler Vaterlandsliebe freiwillig auf die angebotene Krone. Der
Zwischenfall schien hiermit seine Erledigung gefunden zu haben. Aber
die französischen Gewalthaber wollten auf jeden Fall den Krieg. Der
französische Botschafter am Berliner Hofe, Graf Benedetti, mußte
darum vom Könige Wilhelm, der sich zur Kur in Ems aufhielt, die
bestimmte Erklärung fordern, daß er „niemals seine Einwilligung geben
werde, falls etwa in Zukunft jene Thronbewerbung wieder aufleben
sollte". Man stellte von französischer Seite auch das Ansinnen, daß
der greise König einen Entschuldigungsbrief an Napoleon schreibe.
Wilhelm I. lehnte das eine, wie das andere in würdiger Weise ab.
Er teilte dem französischen Botschafter mit, daß er die Angelegenheit des
Prinzen Leopold von Hohenzollern durch dessen Verzichtleistuug als er¬
ledigt betrachte, und ließ sich auf keine weiteren Besprechungen ein.
Die französischen Staatsmänner stellten die Abweisung des Botschafters als
Beleidigung ihrer Nation dar. Frankreich erklärte am 19. Juli den Krieg. 1^“It
Der Aufmarsch. König Wilhelm hatte bereits vor dem Eintreffen
der Kriegserklärung Ems verlassen und sich nach Berlin begeben. Auf
seiner Reise begrüßte ihn allerorten der jubelnde Zuruf des Volkes. Am
19. Juli, dem sechzigsten Gedenktage des Todes seiner unvergeßlichen
Mutter, erneuerte er den Orden des eisernen Kreuzes. Wie einst in
den Tagen des großen Völkerfrühlings, der jenes Ehrenzeichen entstehen
ließ, so gingen auch jetzt die Wogen der vaterländischen Begeisterung
hoch. Wie ein Mann erhob sich das deutsche Volk. Aller Haß und
jede Bitterkeit der vor wenigen Jahren sich noch feindlich gegenüber
stehenden Stämme war erloschen. Süddeutschland, auf dessen Bundes¬
genossenschaft oder doch Neutralität Napoleon gerechnet hatte, trat dem
Schutz- und Trutzbündnis gemäß auf die Seite des Norddeutschen
Bundes. Seit Jahrhunderten zum erstenmal sah das staunende Aus¬
land die Deutschen einig in den Kampf ziehen. Unter den Klängen
der „Wacht am Rhein" führten lange Bahnzüge die Vaterlands¬
verteidiger nach dem bedrohten Westen.
Nach dem Plane des bewährten Chefs des Generalstabes, des
Generals von Moltke, wurden drei Armeen an der französischen Grenze
aufgestellt. Die erste Armee bestand aus dem VII. und VIII. Corps
und wurde unter dem Befehle des Generals von Steinmetz bei Trier
zusammengezogen. Die Garde, das III., IV. und X. (hannoversche) Corps
bildeten die zweite Armee, die Prinz Friedrich Karl bei Kaiserslautern
sammelte. Die dritte Armee setzte sich aus den süddeutschen Truppen
und dem V. und XI. (hesseu-nassauisch-thüringischen) Corps zusammen.
Der Kronprinz Friedrich Wilhelm befehligte sie; Landau war ihr