3. Die Völkerwanderung. 77 »
des Mittelmeeres von der Straße von Gibraltar an bis unter die
Mauern Konstantinopels. Im Jahre 455 erschien Geiserich selbst vor 455
dem wehrlosen Rom. Auf Bitten Papst Leos des Großen versprach
Geiserich nur, die Stadt mit Brand zu verschonen, aber geplündert wurde
14 Tage lang schonungslos. Was an Kostbarkeiten und Kunstschätzen
in der Stadt vorhanden war, wurde auf die Schiffe geladen, um nach
Karthago geschafft zu werden. Was für die Vandalen keinen materiellen
Wert hatte, z. B. Marmorstatuen, wurde wenigstens zerschlagen oder
verstümmelt, so daß wir noch heute rohe Zerstörungslust als „Van¬
dalismus" bezeichnen. Unter den geraubten Schätzen befanden sich auch
die von Titus nach Rom gebrachten jüdischen Tempelgeräte. Das mit
ihnen beladene Schiff ging an der Küste Siziliens zu Grunde, und jene
kostbaren Schätze ruhen nun für immer auf dem Grunde des Meeres.
Die Macht des Vandalenreiches sank nach dem Tode seines Gründers, des
tapferen Geiserich, sehr bald, und schon nach kaum 100 Jahren fand es seinen
Untergang. Die blutigen Verfolgungen der Katholiken steigerten den Haß der alten
Bewohner gegen die arianischen Vandalen aufs höchste. Der oströmische Kaiser
Justinian (527—565) nahm sich endlich seiner bedrängten Glaubensgenossen an
und schickte (533) seinen Feldherrn Belisar mit einem starken Heere nach Afrika.
In einem kurzen Kriege wurde nicht nur das Vandalenreich zerstört, sondern auch
das ganze Volk vernichtet.
Die Angelsachsen. Um Italien gegen die fortwährenden Angriffe deutscher
Völker verteidigen zu können, hatte Stilicho auch die Provinz Britannien aufgegeben
und die Legionen und die römischen Beamten zurückgerufen. Nun konnten sich die
Briten der fortwährenden Einfälle ihrer nördlichen Nachbarn, der Schotten, nicht
mehr erwehren. Sie riefen daher die in Schleswig-Holstein wohnenden Angelsachsen
um Hilfe an. Im Jahre 449 erschienen die ersten Scharen der Angelsachsen unter 449
den Brüdern Hengist und Horsa in England; ihnen folgten in den nächsten
Jahren weitere Scharen. Die Angriffe der Schotten wurden abgewiesen, aber die
Angelsachsen blieben als Eroberer im Lande, und ihre Führer gründeten in England
7 Königreiche, die sich 827 zu einem Reiche vereinigten.
Attila. Die Hunnen waren nach Vertreibung der Goten bis nach
Ungarn vorgedrungen. Die Verhältnisse der großen ungarischen Tief¬
ebene erinnerten sie an ihre Heimat, und sie blieben daher hier längere
Zeit ruhig wohnen. Erst unter ihrem Könige Attila (433—453) er¬
hoben sie sich wieder. Attila unterwarf zunächst alle Völker von der
Wolga bis nach Thüringen, von der Ostsee bis an die Donau; dann
richtete er sein Augenmerk auf die beiden römischen Reiche.
Attila zeigte in seinem Körperbau die ganze Häßlichkeit der Hunnen,
aber Gang, Haltung und Stimme verkündeten den Herrscher, so daß
selbst die gewaltigen Germanenfürsten in seiner Nähe sich eines gewissen
Bangens nicht erwehren konnten. Attila war sich auch des Eindruckes
seiner Persönlichkeit und seiner Macht bewußt. Er pflegte zu sagen:
„Wenn ich mein Schwert in die Erde stoße, so zittern Rom und Kon¬
stantinopel." Auch nannte er sich selbst die Gottesgeißel, und mit
Recht, denn das Land, das er mit seinen Horden betrat, wurde in eine
Wüste verwandelt.
Im Jahre 451 brach Attila aus seinem Lager zwischen Donau
und Theiß gegen das weströmische Reich auf. Seine Scharen zogen die