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Da antwortete der sterbende Held: „Hinterlasse ich nicht zwei
unsterbliche Töchter, Leuktra und Mantinea?" — Mit seinem Tode
nahm Thebens Blüte ein rasches Ende, und schon nahte die
Zeit, wo ganz Griechenland einem fremden Eroberer in die Hände
fallen sollte.
69. Alexanders des Großen Äugend.
Nach Gustav Pfizer, Geschichte Alexanders des Großen, Stuttgart (Liesching), 1846, S. 10.
1. Schon als Knabe hatte Alexander manche Probe eines
feurigen und ehrgeizigen Geistes gegeben und eine sehr unbiegsame
Gemütsart gezeigt, die sich nicht mit Gewalt, wohl aber durch
vernünftige Gründe und Überzeugung leiten ließ. Sein Vater
sorgte mit großem Eifer für die Erziehung und Bildung seines
Geistes, da er es nicht für genug hielt, wenn er nur in körperlichen
Fähigkeiten und den Künsten des Krieges unterwiesen werde.
Außer den Lehrern der Musik und anderen Erziehern berief er
Aristoteles, den berühmtesten' und gelehrtesten Philosophen jener
Zeit, zur Bildung seines Sohnes und erteilte ihm hierfür eine
schöne Belohnung. Er ließ nämlich die Vaterstadt des Aristoteles,
Stagira in Thrazien, die er kurz vorher zerstört hatte, wieder auf¬
bauen und gab den in Sklaverei geratenen Bürgern ihre Freiheit
wieder. Gleich nach der Geburt seines Sohnes soll er an Aristoteles
einen Brief geschrieben haben, dessen Inhalt etwa folgender war:
„Wisse, daß mir ein Sohn geboren ist. Mich freut es überaus,
daß er in deinen Tagen geboren wurde. Von dir erzogen und
herangebildet, wird er unser würdig und der großen Bestimmung,
die einst sein Erbteil sein wird, gewachsen sein." Aristoteles über-
nahnl die Erziehung des jungen Königssohnes, als dieser dreizehn
Jahre alt war. Damit der Unterricht ganz ungestört vor sich gehen
könne, wies König Philipp dem Lehrer und dem Schüler ein Schloß
bei Mieza südlich von Pella, das Nymphaion, an. Der Philo¬
soph unterrichtete den Jüngling in dem, was recht und tugendhaft
ist, in der Staatskunst und, wie es scheint, auch in der Arznei¬
wissenschaft. Denn Alexander riet seinen Freunden später oft in
Krankheiten, was sie zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit zu
tun hätten. Aristoteles gab ihm auch eine verbesserte Abschrift
der Ilias. Dieses herrliche Werk Homers war Alexanders Lieb-
lingsbnch; er betrachtete es als das beste Lehrbuch der Kriegs¬
kunst, führte es immer mit sich herum und hatte es nachts neben
seinem Dolche unter dem Kopfkissen liegen. Als man auf dem
Zuge gegen die Perser unter der kostbaren Beute ein prächtiges
goldenes Kästchen des Darins fand, bestimmte er es dazu, seine