Object: Leben Karls des Großen

bun den waren, das dem byzantinischen an Macht min¬ 
destens gleichstand, konnte das Abendland wieder den 
ehemaligen Vorrang beanspruchen. Nicht die Griechen, 
die nur ihre Ohnmacht bewiesen und dadurch ihr Recht 
verwirkten, sondern die Franken hatten die langobar- 
dischen Feinde gebändigt; die neue Kaiserwürde war eine 
logische Folge des großen Umschwunges in Italien seit 
Pippin. So gering die historischen Kenntnisse waren, so 
viel wußte man sicherlich, daß einst zwei Kaiser neben¬ 
einander bestanden hatten. Konstantin der Große hatte 
Rom seine Ehre entzogen, das Abendland war dadurch 
den Feinden preisgegeben worden; jetzt war es wieder 
einig unter einem Herrn, der auch über Rom waltete. 
Die historischen Tatsachen redeten eine so mächtige 
Sprache, daß daneben klügelnde Rechtserwägungen kaum 
aufkommen konnten. Ein echt römisches Kaisertum 
wurde dem romäischen zur Seite gestellt.“ 
(Lindner, Weltgeschichte I. 332.) 
,,Es läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, aus 
welchen Gründen sich Karl über die Kaiserkrönung 
ärgerte, das wahrscheinlichste ist aber, daß ihn das hohle 
pathetische Gepränge abstieß. Nicht unmöglich ist es 
übrigens, daß ihn lediglich die Heimlichtuerei des Papstes 
ärgerte. Er mochte es für einen Mangel an Achtung an- 
sehen, daß Leo überhaupt etwas ohne seine Einwilligung 
anordnete, zumal seine Person direkt in Mitleidenschaft 
gezogen wurde.1' 
(Ohr, Die Kaiserkrönung Karls des Großen S. 115.) 
,,Dachte Karl ähnlich, wie später König WTilhelm I. 
von Preußen, daß das fränkische Königtum in der Welt 
genug bedeute? Hat Karl den Kaisertitel nur des¬ 
wegen beibehalten, weil er nicht den Schein erwecken 
w'ollte, seiner nicht würdig zu sein? 
\\ elches auch die Ansicht des Frankenherrschers über 
die Kaiserkrönung war, es kommt in der Geschichte mehr 
auf die Tatsache als auf ihre Veranlassung an. Jetzt gab 
es in der Tat zwei kaiserliche Würden, eine im Osten und 
eine im Westen, wenn auch jede sich als die echte Fort¬ 
setzung des alten Imperiums betrachtete. 
Zwischen ihnen bestanden jedoch große, grundsätzliche 
LTnterschiede. Das östliche Kaisertum war älter als die
	        
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