Full text: Vaterländische Geschichte

9 
Blutrache auszuüben. Das Todesurteil durfte nur der Priester 
verhängen und vollstrecken; denn die Hinrichtung galt als Sühne 
für die durch die Sünde erzürnten Götter. Als eine sehr schwere 
Strafe erschien die Landesverweisung, weil es dem Ausgewiesenen 
im Auslande (im Elend) in der Regel sehr schlecht erging. Vergehen 
gegen Edelinge wurden höher bestraft, als solche gegen Gemeinfreie. 
Die Verletzung eines Unfreien wurde durch eine an den Besitzer 
gezahlte Buße gesühnt; der Leibeigene selbst war demnach rechtlos. 
Gefolge und Heerbann. Der Fürst war auf Lebenszeit der erste 
unter seinen Gaugenossen. Freiwillig wurden ihm Geschenke dar¬ 
gebracht. Er leitete nicht nur die Gauversammlung, sondern verteilte 
in den Gegenden, wo es die Sitte erheischte, auch alljährlich durch 
das Los das Ackerland der Freien. — Gab es keinen Stammkrieg, 
so sammelten sich die kriegslustigen Jünglinge unter einem bewährten 
Führer, um unter seiner Leitung Beutezüge zu unternehmen. Ein 
solches Gefolge war eine Waffenbrüderschaft auf Wort und Ehre, 
auf Leben und Tod. Da das Gut des Vaters ungeteilt auf den 
ältesten Sohn überging, waren die jüngeren Söhne auf das Waffen¬ 
handwerk angewiesen. — Sollte die ganze waffenfähige Mannschaft, 
der Heerbann, aufgeboten werden, so wurde für den Kriegszug 
aus der Zahl der Edelinge ein Herzog gewählt und auf den Schild 
erhoben. Später wählten sich die Deutschen auch Könige, die die 
Amtsgewalt der Fürsten und Herzöge in sich vereinigten: in Friedens¬ 
zeiten waren sie die obersten Richter, in Kriegszeiten die Führer 
des Heeres*). 
II. Die Germanen im Kampfe um ihre Freiheit 
und Selbständigkeit. 
1. Grenznachbarn. Die Nachbarn der alten Germanen waren 
im Westen und Süden die Kelten, im Norden die Normannen, im 
Osten die Slaven. Allmählich kam alles Land jenseits des Rheines 
und der Donau unter die Herrschaft der Römer, mit denen nun 
auch die Deutschen bald in Streit gerieten. 
2. Pie Kimbern und Teutonen. Schon im Jahre 113 v. Chr. 
waren zwei germanische Volksstämme, die Cimbern und Teutonen. 
*) Viele sinnbildliche Ausdrücke unserer Sprache erinnern an das alte Rechts¬ 
wesen oder finden in Gebräuchen jener Zeit ihre Erklärung: Ins Elend jagen; 
Umstände machen; das Lebenslicht ausblasen; seine Freiheit, sein Leben aufs Spiel 
setzen; auf der Bärenhaut liegen; auf den Schild erheben u. a.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.