— 129 — 
tels dieser Tugenden ist jeder Stand, zu dem man Nei¬ 
gung hat, gut 
Alle Stände, vom höchsten bis zu dem des niedrigsten 
Handwerkers, haben ihre Annehmlichkeit und ihre Bürde. 
Man muss nur die Tugenden pflegen wollen, welche in je¬ 
dem Stande nöthig sind. Bloss weil so Wenige diese pfle¬ 
gen, hört man so Viele die Lage beklagen, welche sie er¬ 
griffen haben. 
Wenn du einst nach reiflicher Prüfung vor Gott eine 
Wahl getroffen haben wirst, so ahme diese Unglücklichen 
nicht nach! Lass dich nicht von dem Wunsche, etwas 
Anderes zu ergreifen, beunruhigen! Jeder Lebensweg hat 
seine Dornen. Sobald du den Fuss auf einen gesetzt 
hast, so verfolge ihn! Umzukehren ist unrecht; beharrlich 
zu sein, ist immer gut, ausgenommen in der Sünde. Nur 
wer in seinem Unternehmen auszuharren vermag, kann 
hoffen, etwas Ausgezeichnetes zu werden. 
116, Gottes Größe Ln Seinen Werken. 
Komm, laß uns hinausgehen, laß uns reden von den Werken 
Gottes. 
Nimm eine Hand voll Sand; zahle ihre Körner; zähle sie, 
eins nach dem andern, in deinen Schooß. Versuch's, ob du zu 
zählen vermagst die Grashalme auf dem Felde oder di. Blätter 
an den Bäumen. Du kannst sie nicht zählen, denn unzählig sind 
sie; ja, unzählig sind die von Gott erschaffenen Dinge. 
Die Tanne wächst auf dem hohen Berge, und die graue Weide 
neigt sich zu ihrem Strome. Die Distel ist bewaffnet mit schar¬ 
fen Stacheln; wollig und sanft ist die Malve. Der Hopfen um¬ 
schlingt die hohe Stange und hält sie fest mit seinen Ranken; 
der Eichbaum hat feste Wurzeln in dem Boden und widersteht 
dem Wintersturme. Das Gänseblümchen schmückt mit seinem 
Schmelz die Wiesen und wächst unter des Wanderers Fuße; die 
Tulpe verlangt einen fetteren Boden und des Gärtners sorgsame 
Hand. Die Schwertlilie und das Rohr entspringen dem Sumpfe; 
das üppige Gras bedeckt die Wiesen; der Goldlack wurzelt in dem 
harten Gestein und verbreitet seinen Wohlgeruch unter Ruinen. 
Jedes Blatt ist von verschiedener Form; jede Pflanze hat einen 
besonderen Bewohner. 
Sieh den blühenden Weißdorn und die Blumen des Feldes 
und die Pflanzen auf grünem Pfade, welchen wir wandeln. Die 
Q*