4. Die ersten zehn Kurfürsten aus dem Hause Hohenzollern.
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nächsten Erbansprüche hatte die Gemahlin des Kurfürsten Johann Sigis¬
mund als überlebende Tochter der ältesten, bereits verstorbenen Schwester
Johann Wilhelms. Aber auch andre Fürsten machten aus Grund ihrer
Verwandtschaft Ansprüche auf die reiche und schone Erbschaft, vor allem
der Pfalz graf von Neu bürg an der Donau in Bayern. Dieser war
der Sohn einer jüngern, noch lebenden Schwester Johann Wilhelms.
Kurfürst Johann Sigismund und der Pfalzgras von Neuburg einigten sich
andern, minder berechtigte» Verwandten gegenüber in einem Vertrage zu
Xanten (1614) über eine Teilung der Erbschaft. Nach diesem Ver¬
trag erhielt der Pfalzgraf von Neuburg die Herzogtümer Jülich
und Berg, der Kurfürst von Brandenburg Kleve, Mark, Ravens¬
berg und Ravenstein.^) Dieser Vertrag erhielt erst 1666 die kaiserliche
Bestätigung. Der Pfalzgraf von Neuburg hatte die größere und frucht¬
barere Hälfte erhalten. Auf dem Wiener Kongreß im Jahre 1814
wurde diese, da die pfalzgrüfliche Linie Neuburg inzwischen
ausgestorben war, dem Könige von Preußen zuerkannt, so daß
nunmehr die ganze Jülichsche Erbschaft mit Ausnahme von Ravenstein
zu unserm Staate gehört.
Die preußische Erbschaft. Neun Jahre nach dem letzten Herzoge von
Jülich starb auch der letzte Herzog von Preußen, Albrecht Friedrich, im
Jahre 1618. Der Antritt des Herzogtums durch Johann Sigismuud
erfolgte nicht unter so vielen Schwierigkeiten wie die Besitzergreifung der
Jülichschen Erbschaft. Schon lange hatte Johauu Sigismund für den
geisteskranken Herzog, den Vater seiner Gemahlin, die Regierung geführt,
und die Mitbelehnung über das Herzogtum von seiten des Königs von
Polen, der Oberlehnsherr war, hatte schon früher stattgefunden. Das
Herzogtum Preußen umfaßte die heutige Provinz Ostpreußen und war
an Umfang wohl fünfmal so groß wie der brandenbnrgische Anteil an
der Jülichschen Erbschaft.
Vorgeschichte Preußens. Das Land der Preußen, das Bernsteinland,
wird schon von dem römischen Geschichtschreiber Tacitus erwähnt. Nach
den Nachrichten, die er hatte, wohnte zur Zeit der Geburt Christi das
Volk der Ästier, deren Namen wir in Esten noch wiedererkennen, zu
beiden Seiten der untern Weichsel „Sitte und Tracht", sagt Tacitus,
„ist suevisch, die Sprache der britannischen ähnlich. Selten ist Eisen ihre
Handwaffe, häufiger eine Keule. Getreide und andre Früchte bauen sie
1) Da Brandenburg bereits 1609 die Verwaltung übernommen hatte, wurde
im August 1909 die 300 jährige Zugehörigkeit dieser Besitzungen zum Branden -
burgisch-Preußischen Staate festlich begangen. Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin
Auguste Viktoria waren bei den Festen in Kleve und Hohensyburg in Westfalen
zugegen. Der Kaiser sagte bei dieser Gelegenheit, daß der Name Wilhelm zur
Erinnerung an den letzten Herzog von Jülich dem damaligen Kurprinzen Georg
Wilhelm gegeben worden sei, und daß dieser Name sich bis auf ihn vererbt habe.