Full text: Geschichte der Hellenen in neuen und alten Darstellungen (1)

Einleitung. 33 
und die feinste Wolle. Er trug ein Frauenkleid, und sein Gesicht und den ganzen 
Körper hatte er durch Schminke und durch andere derartige Mittel so entmäimlicht, 
daß kein Weib weichlicher aussehen konnte. Auch eine weibliche Stimme hatte er sich 
angewöhnt. Seine Mahlzeiten bestanden immer nur in solchen Speisen und Getränken, 
die den Gaumen kitzeln. Soweit trieb er es in der Schwelgerei und in der schänd¬ 
lichsten Ausschweifung und Unmäßigkeit, daß er auf sich selbst folgende Grabschrist 
machte, die seinem Verlangen gemäß der Nachfolger nach seinem Tod auf sein Grab¬ 
mal setzen sollte, und die aus der Landessprache, in welcher er sie geschrieben, später 
von einem Griechen übersetzt worden ist: 
„Sterblich bist du; gedenke daran und, des Lebens dich freuend, 
Stille des Herzens Gelüst; kein Wohlsein blühet dem Toten! 
Asche bin ich, obwohl einst Ninives König. 
Nur was der Gaumen, mutwilliger Scherz und die Lieb' an Genüssen 
Mir gewährten, ist mein; — das andere alles verließ ich." 
Ein Mann von solcher Sinnesart mußte nicht nur selbst ein schmähliches Ende 
nehmen, sondern er führte auch die völlige Zerstörung des assyrischen Reiches herbei, 
das unter den bekannten Weltreichen am längsten gedauert hat. 
Cyaxares, ein geborener Meder, der sich durch Tapferkeit und Geistesvorzüge 
auszeichnete, war Anführer der medifchen Truppen, die auf ein Jahr nach Ninive 
geschickt waren. Im Lager wurde er mit dem Heerführer der Babylonier bekannt. 
Dieser forderte ihn auf, der assyrischen Oberherrschaft ein Ende zu machen. Er hieß 
Nabopolaffar, und war einer der angesehensten unter den Priestern, die man in 
Babylonien Chaldäer nennt. Als ein sehr erfahrener Sterndeuter und Wahrsager 
verkündigte er häufig zukünftige Dinge mit Sicherheit voraus und erlangte dadurch 
großes Ansehen. So sagte er denn auch dem medischen Heerführer, seinem Freunde, 
vorher, dieser sei zum König über das ganze Gebiet, das Sardanapal beherrsche, zu¬ 
verlässig bestimmt. Eyaxares ließ sich den Vorschlag des Mannes gefallen, und ver¬ 
sprach ihm die Statthalterschaft von Babylonien für den Fall, daß das Unternehmen 
gelänge; und wie durch eine Gottesstimme zu Hoffnungen begeistert, verband er sich 
schon mit den Heerführern aus anderen Völkern und suchte sie durch Gastmahle und 
öffentliche Zusammenkünfte, die er veranstaltete, zu gewinnen und sich der Freund¬ 
schaft jedes einzelnen zu versichern. Er wünschte sehr, den König von Angesicht zu 
sehen und seine ganze Lebensweise zu beobachten. Ein Kämmerer, dem er eine goldene 
Schale schenkte, führte ihn zu Sardanapal hinein. Da überzeugte er sich deutlich, 
daß der weichliche Mann bloß um weibliche Geschäfte sich bekümmerte; und nun hielt 
er, den nichtswürdigen König verachtend, die Hoffnungen nur um so fester, die ihm 
der Chaldäer gemacht hatte. Endlich traf er mit Nabopolaffar die Verabredung, er 
selbst wollte die Meder und Perser aufwiegeln, und jener sollte die Babylonier zur 
Teilnahme an der Empörung bewegen und zu der ganzen Unternehmung auch seinen 
Freund, den Statthalter von Arabien, beiziehen. Als das Dienstjahr vorüber war, 
so wurden die Truppen im Lager durch ein anderes Heer abgelöst, und nach der 
eingeführten Ordnung in ihre Heimat entlassen. Jetzt ermunterte Cyaxares die Meder, 
sie sollten sich die Oberherrschaft erkämpfen; die Perser aber forderte er auf, die Frei¬ 
heit zu erringen, um dann auch an der höchsten Gewalt teil zu nehmen. Ebenso 
erregte Nabopolaffar bei den Babyloniern das Streben nach Freiheit, und nach Arabien 
reiste er selbst, um seinem Auftrage gemäß den dortigen Statthalter, seinen Bekannten 
und Gastfreund, für den Plan zu gewinnen. Nachdem wieder ein Jahr verflossen 
war, so kamen sie alle mit einer großen Zahl von Soldaten vor Ninive zusammen, 
dem Scheine nach, um die Truppen, wie es gewöhnlich war, abzulösen, in der That 
aber, um der Oberherrschaft der Assyrer ein Ende zu machen. Als die vier oben 
genannten Völker auf einem Platze sich versammelt hatten, so betrug ihr ganzes Heer 
gegen 400 000 Mann. Sie waren in einem Lager vereinigt und berieten sich 
gemeinschaftlich, was zu thun wäre. 
Sobald Sardanapal erfuhr, daß sie sich empörten, so ließ er die Truppen der 
anderen Völker gegen sie ausrücken. Zuerst wurde in der Ebene ein Treffen geliefert, 
in welchem die Aufrührer geschlagen und mit großem Verlust auf ein Gebirge zurück- 
Maurer, Geschichte. I. 3
	        
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