II. Familie und Heimat. 
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nung eingeengt, daß sie jetzt etwas von ihrem Sohn erfahren könnte, ob 
ihn niemand kenne, und ob er noch lebe, und ob er etwas sei, und 
sie hatte doch den Mut säst nicht zu fragen. Denn es gehört Herz 
dazu, eine Frage zu tun, wo man das Ja so gerne hören möchte, und 
das Nein doch möglich ist. Auch meinte sie, jedermann merke es, daß 
es ihr Sohn sei, nach dem sie frage, und daß sie hoffe, er sei etwas 
geworden. Endlich aber, als ihr der Diener des Wirts die Suppe 
brachte, hielt sie ihn heimlich am Rocke fest und fragte ihn: „Kennt 
Ihr nicht einen bei der Armee, oder habt Ihr nicht von einem gehört, 
so und so?" Der Diener sagte: „Das ist ja unser General, der im 
Lager steht. Heute hat er bei uns zu Mittag gegessen," und zeigte ihr 
den Platz. Mer die gute Mutter gab ihm wenig Gehör daraus, sondern 
meinte, es sei Spaß; der Diener ruft den Wirt. Der Wirt sagt: „Ja, so 
heißt der General." Ein Offizier sagte auch: „Ja, so heißt unser General," 
und aus chre Fragen antwortete er: „Ja, so alt kann er sein, und 
ja, so sieht er aus und ist von Geburt ein Schweizer." Da konnte sie 
sich nicht mehr halten vor inwendiger Bewegung und sagte: „Es ist 
mein Sohn, den ich suche;" und ihr ehrliches Schweizergesicht sah fast 
ein wenig einfältig aus vor unverhoffter Freude und vor Liebe und 
Scham. Denn sie schämte sich, daß sie eines Generals Mutter sein sollte, 
vor so vielen Leuten und konnte es doch nicht verschweigen. Aber der 
Wirt sagte: „Wenn das so ist, gute Frau, so laßt herzhaft Euer 
Gepäck von dem Postwagen abladen, und erlaubt mir, daß ich morgen 
in aller Frühe ein Kaleschlein anspannen lasse und Euch hinausführe zu 
Euerm Herrn Sohn in das Lager." 
Am Morgen, als sie in das Lager kam und den General sah, 
ja, so war es ihr Sohn, und die junge Frau, die gestern mit ihm 
geredet hatte, war ihre Schwiegertochter, und das Kind war ihr Enkel. 
Und als der General seine Mutter erkannte und seiner Gemahlin sagte: 
„Das ist sie," da küßten und umarmten sie sich, und die Mutterliebe und 
die Kindesliebe und die Hoheit und die Demut schwammen ineinander und 
gossen sich in Tränen aus, und die gute Mutter blieb lange in unge¬ 
wöhnlicher Rührung, fast weniger darüber, daß sie heute die Ihrigen fand, 
als darüber, daß sie sie gestern schon gesehen hatte. — Als der Wirt zurück¬ 
kam, sagte er, das Geld regne zwar nirgends durch den Kamin herab, aber 
nicht 200 Franken nähme er darum, daß er nicht zugesehen hätte, wie die 
gute Mutter ihren Sohn erkannte und sein Glück sah; und der Hausfreund 
sagt: „Es ist die schönste Eigenschaft weitaus im menschlichen Herzen, daß 
es so gerne zusieht, wenn Freunde oder Angehörige unverhofft wieder zu¬ 
sammenkommen, und daß es allemal dazu lächeln oder vor Rührung mit 
ihnen weinen muß, nicht ob es will." I. P. Hebel. 
N. Gottes!eben, Deutsches Lesebuch. 
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