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IV. Die landesfürstlich-städtische Zeit.
er sich mit den Wittelsbachern durch die Belehnung mit Brandenburg,
der Lausitz und Tirol aus. Die Städte mußten sich ihm auch fügen,
da das Bürgertum besonders durch furchtbare Katastrophen — die
Beulenpest (der schwarze Tod), der sich daraus ergebenden Juden¬
verfolgung und das Flagellantentum — stark zerrissen und zu politischem
Widerstände unfähig wurde. So konnte Karl die süddeutschen Städte¬
bündnisse auslösen. Die „Waldstätten", die ihren Bund immer mehr
erweiterten, konnte er nicht zur Anerkennung seiner Macht bewegen.
Karls Reichspolitik beschränkte sich daraus, die noch vorhandenen
Rechte des Königtums in Deutschland, Burgund und Italien wenigstens
der Form nach zu erhalten, vor allem aber die luxemburgische Haus¬
macht auszubauen. Die bisherige aufsteigende Entwicklung des Landes-
'sürstentums fand ihren Abschluß mit der „Goldenen Bulle" (1356),
die auf den Reichstagen in Nürnberg und Metz zustande kam. Die
Königswahl sollte unter Leitung des Erzbischofs von Mainz durch
Stimmenmehrheit des Kurfürstenkollegiums (Mainz, Trier, Köln,
König von Böhmen, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Sachsen-Witten-
berg und Markgraf von Brandenburg) erfolgen. Die drei geistlichen
Kurfürsten waren Kanzler für Germanien, Italien und Burgund,
die vier weltlichen übten das Amt des Schenken, Truchseß, Marfchalls
und Kämmerers aus. Bei Erledigung des Thrones führte in den Ländern
sächsischen Rechts der Kursürst von Sachsen, in denen fränkischen und
schwäbischen Rechts der Pfalzgraf bei Rhein das Reichsvikariat. In
ihren Gebieten besaßen die Kurfürsten die volle Landeshoheit; sie
besaßen das Berg- und Münzrecht, ihre Gebiete waren vom Königs¬
gericht frei und unteilbar und die weltlichen vererbten nach dem Rechte
der Erstgeburt. Die Städte wurden vom Reichsregiment ausgeschlossen,
und der Abschluß von Bündnissen sowie die Aufnahme der Pfahlbürger
wurde ihnen verboten. Jede Fehde mußte drei Tage vorher ange¬
kündigt werden. So war Deutschland eine Kursürsten-Oligarchie
geworden. Die Stellung der Luxemburger war insofern gestiegen,
als sie für Böhmen — Karl IV. betrachtete sich an erster Stelle als
böhmischer König — die Kurwürde erwarben und die Habsburger,
ihre Gegner, von dieser ausgeschlossen blieben. Seine Hausmacht
stärkte Karl ganz bedeutend. Durch die Vermählung mit der Erbin
von Schweidnitz und Jauer vollendete er die Erwerbung Schlesiens
sür Böhmen, den größten Teil der Oberpfalz kaufte er vom Pfalz¬
grafen Ruprecht, die Niederlaufitz zog er ein und nötigte den Mark¬
grafen Otto von Brandenburg, fein verwahrlostes Land ihm völlig
abzutreten. In seinen Gebieten brachte er das „Landrecht" zur Geltung,
bändigte die Willkür des Adels, hob den Bergbau, stattete die böhmische