Full text: Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

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er so erbittert, daß er sich von der römischen Kirche nun ganz los¬ 
sagte, worans der Papst ihn nach Rom vorlud und ihn, da er nicht 
erschien, in den Bann tat, seine Untertanen von ihrem Eide los¬ 
sprach und England dem rechtgläubigen Könige von Schottland 
zusprach. Vielleicht hätte er Luthers Lehre angenommen, die in 
England viele Anhänger gefunden hatte; aber Luther hatte ihm 
früher einmal einen derben Brief geschrieben, und das konnte ihm 
der eitle Heinrich nicht vergessen. Er schrieb daher nach seinen 
eigenen Gedanken ein Lehrbuch des christlichen Glaubens und ver¬ 
langte, daß alle Untertanen sechs von ihm aufgestellte Artikel, die 
er für unerläßlich erklärte, annehmen sollten. Viele Katholiken 
sowohl als Lutheraner, die sich nicht entschließen konnten, ihren 
ihnen einmal lieb gewordenen Glauben sogleich auszugeben, 
wurden grausam hingerichtet, und durchs ganze Land 
rauchten die Scheiterhaufen. Unter den Opfern ihres Glaubens 
war der berühmte Kanzler Thomas Morus, der schon oben bei 
Holbein genannt wurde. Taun hob er auch die Klöster auf und 
hätte dabei große Summen gewinnen können, wenn hierbei nicht 
so verschwenderisch verfahren und die meisten geistlichen Güter ver¬ 
schleudert worden wären. Daher sagte Kaiser Karl V. mit Recht: 
Der König von England hat die Henne totgeschlagen, welche ihm 
die goldenen Eier legte; denn nun fielen die reichen Abgaben 
weg, welche er bisher jährlich von den Klöstern und Stiftern er¬ 
hoben hatte. 
Anna Boleyn hatte dem Könige indessen eine Tochter geboren, 
die nachher so berühmt gewordene Königin Elisabeth. Aber 
noch war Heinrich kaum drei Jahre in Annas Besitz, als er auch 
ihrer schon überdrüssig war und auf eine dritte, Johanna 
S e ymonr (sprich ssimör), eine Hofdame der Königin, seine Neigung 
gerichtet hatte. Darauf hatten die Feinde der guten Anna lange 
gewartet. Feinde hatte sie genug, weil viele ihr ihren hohen Stand 
nicht vergeben konnten, und ihres Bruders Frau war die giftigste 
darunter. Diese erfüllte des Königs argwöhnisches Herz mit 
solcher Eisersucht, daß er Anna zu verderben fest beschloß. Die 
Eifersucht brach aus, als ihr bei einem Turniere ihr Taschentuch
	        
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