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der Wache, die Elisabeth gegen ihn ausgeschickt hatte, ergeben mußte.
Sein Verbrechen lag zu sehr am Tage, als daß er diesmal der
Verurteilung entgehen konnte; alle Richter sprachen das Todesurteil
über ihn aus. Und Elisabeth? — Ihr Zustand war diesmal
wirklich bemitleidenswert. In ihrer Seele kämpften unaufhörlich Haß
und Liebe, gekränkter Stolz und Mitleid, die Pflicht, ein solches
Verbrechen streng zu ahnden, und der Wunsch, ihren Liebling nicht
ganz sinken zn lassen. Bald unterzeichnete sie den Befehl znr Hin¬
richtung, bald widerrief sie ihn. Weitn er sie nur wenigstens um
Gnade bäte, meinte sie, so würde sie ihm wohl vergeben. Immer
noch hoffte sie darauf; aber da keine demütige Unterwerfung er¬
folgte, willigte sie endlich in einem Anfalle von Erbitterung in die
Hinrichtung. Sie ging 1601 im Tower vor sich. Essex, erst
34 Jahre alt, starb mit tiefer Reue und dem Bekenntnis, feine
Strafe verdient zu haben.
Zwei Jahre darauf verfiel die Königin in eine tiefe Schwer¬
mut. Als Ursache gibt man eine traurige Entdeckung an, die von
ihr in betreff des unglücklichen Essex gemacht worden war. In den
Zeiten der höchsten Gunst hatte Essex der Königin einst sein Be¬
dauern geäußert, daß die Gunst der Großen so unbeständig sei.
Gerührt schenkte sie ihm damals einen Ring mit dem Beifügen,
er möchte auch noch so sehr in Ungnade fallen, so würde sie doch,
sobald er ihr diesen Ring sende, allen Gtoll fahren lassen. Sorg¬
fältig hatte Essex dieses wichtige Kleinod verwahrt und sich feiner
in den mannigfachen Verlegenheiten feines Hoflebens nicht bedient,
ihn immer für die äußerste Not aussparend. Als er aber zum Tode
verurteilt war und auch die letzte Hoffnung sank, nahm er zn ihm
seine Zuflucht. Er überreichte ihn der Gräfin Nottingham
(sprich Nottingham» und bat sie, ihn der Königin einzuhändigen.
Unglücklicherweise war der Gemahl der Gräfin ein Todfeind des
Essex; er beredete sie daher, den Ring nicht abzugeben, und so
erhielt Elisabeth keine Nachricht davon, wie sehnlich Essex auf das
Wort der Gnade harrte. Erst als drei Jahre darauf die Gräfin
auf dem Sterbebette lag und von ihrem Gewissen beunruhigt wurde,
ließ sie die Königin um einen Besuch bitten, eröffnete ihr das Ge-