Full text: Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

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Preußen aufmarschierten, spielten die Kapellen das Lied: „Ich bin 
ja, Herr, in deiner Macht." Tie Russen benahmen sich so unge¬ 
schickt, daß sie bald in Verwirrung gerieten, und nun brachen die 
preußischen Reiter in ihre verwirrten Glieder ein und hieben ohne 
Barmherzigkeit alles nieder, was nur ihr Schwert erreichen 
konnte. Am meisten tat sich hier wieder Seydlitz hervor; bald sah 
man ihn hier, bald dort, alles vor sich niederwerfend und in die 
dichtesten Haufen eindringend. Tie Preußen richteten ein grä߬ 
liches Blutbad an. Aber solchen Feind hatten sie auch nie vor sich 
gehabt. Wenn auch schon die Linien der Russen in Verwirrung 
aufgelöst waren, so blieben doch die einzelnen wie Bildsäulen unbe¬ 
weglich stehen, sobald sie ihre Patronen verschossen hatten, und 
ließen sich, wie gefühllos, ruhig niederstoßen. So sah man ganze 
Reihen leblos auf der Erde liegen. Andere sielen über das Gepäck 
her, plünderten die Marketenderwagen und betranken sich in dem 
dort gefundenen Branntwein. Zwar ließen ihre Offiziere den 
Fässern den Boden anschlagen, aber das half wenig; denn die Sol¬ 
daten warfen sich nun der Länge lang auf den Boden. um den 
köstlichen Nektar noch aus dem Staube auszuschlürfen. 
Nachdem beide Teile kein Pulver mehr hatten, stießen sie mit 
Kolben, Bajonnetten und Säbeln wütend aufeinander los, und die 
Erbitterung war so groß, daß selbst Schwerverwundete noch darauf 
dachten, die naheliegenden Feinde zu ermorden. So fand man einen 
tödlich verwundeten Russen, der auf einem sterbenden Preußen lag 
und ihn noch mit seinen Zähnen zerfleischte, und der Preuße mußte 
hier zu ihm und fragte ihn: „Ew. Majestät, was macht denn mein Mann, 
der Unteroffizier Bindar. bei dem und dem Regimente?" — „Ich kenne ihn 
wohl!" antwortete Friedrich gütig; „er ist, gottlob, noch gesund." — „Na, grüßen 
Sie ihn mir doch viel tausendmal," sprach sie weiter und überreichte dabei 
dem Könige einen Brotkuchen, den sie für „ihren lieben König" gebacken habe. 
Friedrich nahm das Geschenk der guten Frau freundlich an. 
\5U ökr Nacht vor der Schlacht ruhte er nur einige Stunden auf einem 
Lehnstuhle in einer Mühle (der Stuhl wird noch ausbewahrt). Als er am 
Morgen aus dem Hause unter die ihn erwartenden Generale und Adjutanten 
trat, grüßte et sie freundlich und rief: „Guten Morgen. Messieurs! Ich 
gratuliere! Tie Schlacht ist gewonnen." 
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