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Wahrnehmung hat Sc. Majestät mit großem Troste erfüllt, und noch
in der letzten Beziehung, die ich zu meinem dahingeschiedenen Herrn
gehabt habe — es war gestern —, hat (Er darauf Bezug genommen,
wie Ihn dieser Beweis der Einheit der gesamten deutschen Nation, wie
er durch die Volksvertretung hier verkündet worden ist, gestärkt und
erfreut hat.
Ich glaube, meine Herren, es wird für Sie alle erwünscht sein,
dieses Zeugnis, das ich aus eigner Wahrnehmung für die letzten Stim¬
mungen unsers dahingeschiedenen Herrn ablegen kann, mit in Ihre
Heimat zu nehmen, weil jeder einzelne von Ihnen einen Nnteil an
dem Verdienste hat, welches dem zugrunde liegt.
Meine Herren, die heldenmütige Tapferkeit, das nationale, hoch¬
gespannte Ehrgefühl und vor allen Dingen die treue, arbeitsame Pflicht¬
erfüllung im Dienste des Vaterlandes und die Liebe zum vaterlande,
die in unserm dahingeschiedenen Herrn verkörpert waren, mögen sie ein
unzerstörbares Erbteil unsrer Nation sein, welches der aus dieser Mitte
geschiedene Kaiser uns hinterlassen hat! Das hoffe ich zu Gott, daß
dieses Erbteil von allen, die wir an den Geschäften unsres Vaterlandes
mitzuwirken haben, in Krieg und in Frieden, in Heldenmut, in Hin¬
gebung, in Arbeitsamkeit, in pflichttreue treu bewahrt bleibe!
72. Aufruf Kaiser Wilhelms H. am 1(8. Juni 1(888.
Nn Mein Volk!
Gottes Natschluß hat über uns aufs neue die schmerzlichste Trauer
verhängt. Nachdem die Gruft über der sterblichen hülle Meines un¬
vergeßlichen Herrn Großvaters sich kaum geschlossen hat, ist auch Meines
heißgeliebten Herrn Vaters Majestät aus dieser Zeitlichkeit zum ewigen
Frieden abgerufen worden. Die heldenmütige, aus christlicher Er¬
gebung erwachsende Tatkraft, mit denen Er Seinen Königlichen Pflichten
ungeachtet Seines Leidens gerecht zu werden wußte, schien der Hoff¬
nung Naum zu geben, daß er dem vaterlande noch länger erhalten
bleiben werde. Gott hat es anders beschlossen. Dem Königlichen
Dulder, dessen herz für alles Große und Schöne schlug, sind nur
wenige Monate beschieden gewesen, um auch auf dem Throne die
edlen Eigenschaften des Geistes und Herzens zu betätigen, welche Ihm
die Liebe Seines Volkes gewonnen haben. Der Tugenden, die Ihn
schmückten, der Siege, die Er auf den Schlachtfeldern einst errungen
hat, wird dankbar gedacht werden, solange deutsche herzen schlagen,
und unvergänglicher Nuhm wird Seine ritterliche Gestalt in der Ge¬
schichte des Vaterlandes verklären.
Huf den Thron Meiner Väter berufen, habe ich die Negierung
im Ausblick zu dem Könige aller Könige übernommen und Gott gelobt,