fullscreen: Quellen-Lesebuch für den Unterricht in der vaterländischen Geschichte

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gestorben sei u. s. w. Plötzlich präsentierte sie ihren Mann, bedankte sich 
für die 200 Morgen, stieg auf den Wagentritt, wollte Seiner Majestät, 
wo nicht die Hand, so doch den Rock küssen. Jhro Majestät setzten sich 
ganz auf die andere Seite vom Wagen und riefen: „Laß Sie sein, laß Sie 
fein, meine Tochter! Es ist schon gut! — Amtmann, macht, daß wir fort- 
kommen! — Hört einmal: den Leuten geht's hier wohl nicht gut?" — 91.: 
Recht schlecht, Jhro Majestät! Es ist die bitterste Armut! — K.: Das ist 
mir leid! Sagt mir doch; es wohnte hier vor diesem ein Landrat. Er 
hatte viel Kinder. Könnt Ihr Euch nicht auf ihn besinnen? — A.: Es 
wird der Landrat von Gorgas zu Ganzer gewesen sein. — K.: Ja, ja! 
der ist's gewesen. Ist er schon tot? — A.: Ja, Jhro Majestät. Er starb 
1779, und es war besonders! In vierzehn Tagen starb er, seine Frau, 
das Fräulein und vier Söhne. Die anderen vier mußten eben die Krank- 
heit ausstehen, die wie ein hitziges Fieber war, und obwohl die Söhne, 
weil sie in Diensten waren, in verschiedenen Garnisonen standen, und kein 
Bruder zum andern kam, so bekamen sie alle vier doch dieselbe Krankheit 
und kamen nur so mit dem Leben davon. — K.: Das ist ein verzweifelter 
Umstand gewesen! Wo sind die noch lebenden vier Söhne? — A.: Einer 
unter den Zieten-Husaren, einer unter den Gensd'armes, einer unter dem 
Prinz Ferdinandschen Regiment gewesen und wohnt auf dem Gute Derfau. 
Der vierte ist der Schwiegersohn vom General von Zieten. Er war 
Lieutenant beim Zieten-Regiment; Jhro Majestät haben ihm aber in dem 
letzten Kriege wegen Kränklichkeit den Abschied gegeben, nun wohnt er in 
Ganzer. — K.: So? Ist das schon einer von den Gorgassen? Macht Ihr 
sonst noch Proben mit ausländischem Getreide? — A.: O ja! Dieses Jahr 
Hab' ich spanische Gerste gesäet. Allein sie will nicht recht einschlagen; ich 
gehe wieder ab. Aber den holsteinischen Staudenroggen sind' ich gut! — 
K.: Was ist das für ein Roggen? — A.: Er wächst im Holsteinischen in 
der Niederung. Unterm zehnten Korn Hab' ich ihn noch nicht gehabt! — K.: 
Ru, nu! nicht gleich das zehnte Korn! — A.: Das ist nicht viel! Belieben 
Jhro Majestät den Herrn General von Görz zu fragen. Der wird Ihnen 
sagen, daß das im Holsteinischen nicht viel ist. (Den General Grafen von 
Görz habe ich im Holsteinischen kennen gelernt.) 
Nun sprachen sie in dem Wagen eine Weile von dem Roggen. Mit 
einem mal riefen Jhro Majestät aus dem Wagen: „Na! so bleibt bei dem 
holsteinischen Staudenroggen und gebt den Unterthanen auch welchen." — 
A.: Ja, Jhro Majestät! — K.: Aber macht mir einmal eine Idee, 
wie hat das Luch ausgesehen vor der Entwässerung? — A.: Es waren lauter 
hohe Hüllen, dazwischen setzte sich das Wasser. Bei den trocknen Jahren 
konnten wir das Heu nicht herausfahren, sondern wir mußten's in große 
Mieten setzen. Im Winter nur, weun's scharf gefroren hatte, konnten wir's
	        
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