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D. Der Weltkrieg.
sen Wiedergewinnung dem Volke als ein Hauptziel des Krieges vor¬
gespiegelt wurde. Von der starken Festung Belfort aus gelang es ihnen
auch, in die elsässische Rheinebene einzudringen und die große Fabrik-
stadt Mülhausen zu besetzen; aber schon am folgenden Tage wurden
sie durch den Sieg des Generalobersten vonHeeringen (am9. VIII.)
daraus vertrieben und nach Belfort zurückgedrängt. Ähnlich erging
es ihnen an anderen Stellen im Wasgaugebirge, in dessen Gebiet sie
sie, zum Teil vor der Kriegserklärung, die Grenze überschritten hatten.
Doch blieben kleine Striche des deutschen Elsasses bis auf den heutigen
Tag in französischen Händen, da es der deutschen Heeresleitung nicht
lohnend erschien, in dem aufreibenden Gebirgskampfe gegen den gün¬
stiger stehenden Feind größere Truppenmassen zu opfern. Aber der
Angriff von Norden nötigte die Franzosen, alle Kräfte hier zusammen¬
zufassen. Sie hatten dabei das Glück, daß die zum Schutz gegen Italien
aufgestellten Korps frei wurden; denn die italienische Regierung ließ,
obgleich ihr Land noch mit Deutschland und Österreich im Bunde stand,
Frankreich heimlich wissen, daß es von Italien nichts zu befürchten
habe. Dazu kam jetzt bie immer wirksamere Hilfe der Engländer, die
um die England gegenüberliegende Küste Belgiens und Nordfrank¬
reichs nicht in die Hände der Deutschen fallen zu lassen, beträchtliche
Truppenmassen gelandet hatten. Daß beide großen Völker, die auf ihre
Gesittung so stolz sind, sich nicht scheuten, ihre farbigen Kolonial¬
truppen aus allen Erdteilen nach Europa zu holen und vertierte
Schwarze gegen ein christliches Volk zu hetzen, zeigt ebenso geringes
Vertrauen in die eigene Stärke wie mangelndes Gefühl von Menschen¬
würde. Gegenüber dieser französisch-englischen Übermacht mußten die
beim jähen Vormärsche zu weit auseinandergezogenen deutschen Heere
wieder ein Stück zurückgehen. Dies geschah unter schweren Kämpfen
im Gebiete der Marne, eines bei Paris mündenden Nebenflusses der
Seine, und diese „Marneschlacht" (Mitte September 1914) wurde von
den Franzosen und ihrem Oberbefehlshaber Joffre als ein großer
Sieg gefeiert. In der Tat war der glänzende deutsche Vormarsch zum
Stehen gebracht worden.
Der „Stellungs- Die fnrchtbare Wirkung der heutigen Schießwaffen verlangt jetzt
fnea tm®efteumehr noch als früher von den kämpfenden Truppen als erste Aufgabe
die gute „Deckung". Daraus hat sich eine ganz neue Art der Krieg¬
führung ergeben, der sog. „Stellungskrieg". Wo auch die Truppen
sich gegenüberliegen, wird der Erdboden in eine unterirdische Festung
verwandelt. Von Schützengräben ans, die durch Laufgänge erreicht
werden, beschießen sich die Kämpfenden: ihre Quartiere, Geschoß- und