Object: Preußischer Kinderfreund

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Auf diese einfache Weise geschieht das Nämliche, was geschehen würde, 
wenn die Sonne in der nämlichen Zeit einen Kreisgang von 132 Millionen 
Meilen rings um die freistehende Erde herumwandeln müsste. Nämlich die eine 
Hälfte der Erdkugel ist gegen die Sonne gekehrt und hat Tag, und die andere 
Hälfte ist von der Sonne abgekehrt gegen die Sterne hinaus und hat Nacht, 
aber nie die nämliche; sondern wie die Erdkugel sich gleichsam an ihrer Axe 
gegen die Sonne dreht, löst sich immer an dem einen Rande der finstern Hälfte 
ein wenig von der Nacht in die Dämmerung auf, bis man dort die ersten 
Strahlen der Sonne erblicken kann und meint, sie gehe auf, und an der andern 
Seite der erleuchteten Hälfte wird's immer später und kühler, bis man die 
Sonne nicht mehr sieht und meint, sie sei untergegangen, und der Morgen und 
Mittag und Abend, das heilige Osterfest und sein Glockengeläute wandeln in 
24 Stunden um die Erde herum und erscheinen nie an allen Orten zu gleicher 
Zeit, sondern in Wien z. B. 24 Minuten früher als in Paris. 
Drittens, sagt Kopernikus, während die Erde den Morgen und den 
Abend und zu seiner Zeit das heilige Osterfest in 24 Stunden gleichsam um 
sich herumspinnt, bleibt sie nicht an dem nämlichen Orte im unermesslichen 
Welträume stehen, sondern sie bewegt sich unaufhörlich und mit unbegreiflicher 
Geschwindigkeit in einer großen Kreiswindung zwischen der Sonne und den 
Sternen fort und kommt in 365 Tagen und ungefähr 6 Stunden um die 
Sonne herum und wieder auf den alten Ort. 
Desswegen und weil alsdann nach 365 Tagen und ungefähr 6 Stunden 
Alles wieder so wird, und Alles wieder so steht, wie es vor eben so viel Zeit 
auch gestanden hat: so rechnet man 365 Tage zu einem Jahre und spart 
die 6 Stunden vier Jahre lang zusammen, bis sie auch 24 Stunden aus¬ 
machen; denn man darf Nichts von der kostbaren Zeit verloren gehen lassen. 
Desswegen rechnet man je auf das vierte Jahr einen Tag mehr und nennt 
es das Schaltjahr. 
Die Sache fängt an dem verständigen Leser einzuleuchten, und er wäre 
bald bekehrt; wenn er nur auch Etwas von dem Drehen und Laufen der Erd¬ 
kugel verspüren könnte! Desswegen rmd 
Viertens, sagt Kopernikus, man kann die Bewegung eines Fahrzeuges, 
auf welchem man mitfährt, eigentlich nie an dem Fahrzeuge selbst erkennen, 
sondern man erkennt sie an den Gegenständen rechts und links, au den Bäu¬ 
men und Kirchthürmen, welche stehen bleiben, und an denen man nach und 
nach vorbeikommt. Wenn ihr auf einem sanft fahrenden Wagen, oder lieber 
auf einem Schifflein auf dem Rheine, oder auf der Oder fahrt, und ihr schließt 
die Augen zu, oder ihr schaut eurem Kameraden, der mit euch fährt, steif 
auf seinen Rockknopf, so merkt ihr Nichts davon, dass ihr weiter kommt. 
Wenn ihr aber ausschaut nach den Gegenständen, welche nicht selber bei uns 
auf dem Fahrzeuge sind, da kommt euch das Ferne immer näher, und das 
Nahe und Gegenwärtige verschwindet hinter eurem Rücken, und daran erkennt 
ihr erst, dass ihr vorwärts kommt; also auch die Erde. An der Erde selbst 
und Allem, was auf ihr ist, so weit man schauen kann, lässt sich ihre Bewe¬ 
gung nicht absehen (denn die Erde ist selbst das große Fahrzeug, und Alles, 
was auf ihr steht, fährt selber mit); sondern man muss nach Etwas schauen, 
das stehen bleibt und nicht mitfährt, und das sind eben die Sonne und die 
Sterne, z. B. der sogenannte Thierkreis. Denn zwölf große Gestirne, welche 
man die zwölf himmlischen Zeichen nennt, stehen am Himmel und in einem
	        
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