§ 26. Deutsche Zustände im Zeitalter der Staufer. 73
dazu; alles zusammen betrug das damalige römisch-deutsche Reich gegen
1 Million qkm, also fast doppelt soviel wie das heutige Deutsche Reich,
zählte aber vielleicht nur 24 Millionen Einwohner, während das Deutsche
Reich heute fast 65 Millionen beherbergt.
2. Lehnswesen. Die staatlichen Zustände hatten sich seit Karl dem Großen
außerordentlich verändert, indem das seit Karl Martell ausgekommene
Lehnswesenx) nach und nach alle Verhältnisse ergriffen und umgebildet
hatte. Damals waren sämtliche Bewohner des Reiches Untertanen des
Königs gewesen, und Reichsbeamte hatten in seinem Namen in den ein¬
zelnen Gauen gewaltet und das Heerwesen, das Gericht und die innere Ver¬
waltung geleitet. Später aber wurden die großen Ämter und das mit ihnen
verbundene Nutzungsrecht staatlichen Besitzes nicht mehr als ein Lehen über¬
tragen, das mindestens bei dem Tode des Inhabers oder bei einem von ihm
begangenen schweren Vergehen in die Hand des Herrschers zurückkehrte, son¬
dern geradezu als erbliches Eigentum vergeben. Nur bei Treubruch
konnte das Lehen abgesprochen werden. Die Belehnung wurde, luenn der
Belehnende oder der Belehnte starb, ohne weiteres erneuert. Die Inhaber
der großen Sehen, die obersten Vasallen (die Reichsfürsten), gaben aber von
ihren vom König empfangenen Sehen oder von ihrem eigenen Besitztum
auch wieder (kleinere) Sehen aus (Afterlehen), deren Inhaber nun ihnen
durch den Treueid zu Dienstleistungen verpflichtet waren. Da also nur die
obersten Sehnsmannen, die geistlichen und weltlichen Fürsten, unmittelbar
durch einen Eid dem König verbunden erschienen, war dieser säst ganz und
gar auf deren Treue und guten Willen angewiesen. Bei der großen Treu¬
losigkeit der damaligen oberen Stände geriet der Herrscher oft genug in die
schwerste Bedrängnis. Das Heer bestand jetzt nur noch zum kleinsten Teil aus ^^cf[*Qltm
kriegspflichtigen freien Bauern; an ihre Stelle waren die Sehnsmannen und e,n- aat
deren Reisige getreten, die sich zu Berufskriegern entwickelten.
3. Königtum. Der König wurde an einem beliebigen Orte gewählt und
dann zu Aachen gekrönt. Eine eigentliche Haupt- und Residenzstadt war Krönungsort.
nicht vorhanden. Die Beamten, die die schriftlichen Arbeiten zu erledigen
hatten, wurden aus der Geistlichkeit genommen, deren Mitglieder fast allein
eine höhere Bildung besaßen. Sie bildeten die Kanzlei, an deren Spitze der Kanzlei,
jedesmalige Erzbischof von Mainz als Erzkanzler stand. An den hohen
kirchlichen Festen mußten die Großen am Hofe erscheinen (Hoffahrt). Diese
Versammlungen dienten zugleich als Reichstag und oberster Gerichtshof. Reichstag.
Da das Reichsgut fast völlig als Sehen ausgegeben war, konnte eigentlich
nur ein von Haus aus begüterter König Ansehen und Macht gewinnen. Der
allmähliche Verlust eines überragenden Besitzes ist ein Hauptgrund für
den Niedergang der staufischen Macht gewesen.
4. Die Fürsten. Sie zerfielen in geistliche (Erzbischöfe, Bischöfe und
Äbte) und weltliche (Herzöge, Markgrasen, Sandgrasen, Pfalzgrafen,
Grafen). Einige von ihnen erlangten durch Mehrung ihrer Vorrechte, d. h.
dadurch, daß ihnen Machtbefugnisse des Königs übertragen wurden, eine
so bedeutende Stellung, daß man sie als Reichsfür st en bezeichnete. Dem
1) Vgl. S. 28.