47. Hexen und Hexenprozesse.
1. Hexenglaube. — Finsterer Aberglaube beherrschte das ganze Mittelalter. Die
schrecklichsten Folgen hatte der weitverbreitete Glaube an Hexen. Die Hexen, so glaubte
mau, hätten mit dem Teufel einen Bund geschlossen. Dasür wäre ihnen die Macht ver¬
liehen, anderen Menschen Böses zuzufügen. Meist gerieten Frauen in den Verdacht der
Hexerei; die Männer hießen Hexenmeister. Trat schlechtes Wetter, Mißwachs, teure Zeit
oder sonst ein Unglück ein, so suchte man nach einer schuldigen Hexe. Schon ihrem bösen
Blick schrieb man die Kraft zu, Menschen und Tiere krank zu machen. In der Nacht
zum 1. Mai, der Walpurgisnacht, Batten die Hexen ihre Zusammenkunft auf dem Brocken.
Dann ritten sie auf Besenstielen, Ofengabeln, Ziegenböcken, Gänsen, Schweinen, Spinn¬
rocken, Stöcken u. dergl. zum Schornsteine hinaus. Auf dem Brocken wartete schon der
Teufel, der in Bock^gestalt auf der Hexenkanzel thronte. Jede Hexe mußte ihm bekennen,
wieviel Böfes sie getan habe. Schien dies dem Teufel zu wenig, so prügelte er die
Hexe. Dann fetzten sich alle zum Schmause und tranken aus Knhklanen und Pferde-
schadeln. Darauf folgte ein wilder Steigen bis zum Morgengrauen. Mit dem ersten
Hahnenschrei endete der tolle Spuk. Dann flogen die Hexen auf demselben Wege heim.
Um sich vor Schaden zu schützen, schrieb man mit Kreide drei Kreuze an die Türen der
Wohnungen und der Ställe.
2. Hexenprozesse. — Staat und Kirche befahlen die Ausrottung der Hexen. Nun
begannen die schauerlichen Hexenprozesse. Ans den geringsten Verdacht hin konnten Per¬
sonen der ^Hexerei angeklagt werden. Ein Opfer, das die Hexenrichter einmal erfaßt
hatten, ließen sie sobald nicht wieder los. Wenn die Angeklagte leugnete, ein Bündnis
mit dem Teufel zn haben, so schritt man zur „Hexenprobe." Man unterschied die Wasser-,
Wage- und Tränenprobe. Sank eine ins Wasser gestürzte Hexe nicht unter, so galt
sie für schuldig. Hatte sie ein Gewicht über 40 kg, so war ihr ebenfalls der Tod ge¬
wiß. Wenn bei harter Peinigung keine Tränen zum Vorschein kamen, so galt sie als
Hexe. Die schuldig gesprochene Hexe wurde aus dem Scheiterhaufen verbrannt.
3. Die Folter. — Beim Verhör von Personen, die eines schweren Verbrechens
angeklagt waren, gelangte die Folter oder Tortur zur Anwendung, um ein Geständnis
zu erpressen. In den Hexenprozessen machte man von der Folter den größten Gebrauch.
Die Folterung wurde in der dunklen Marterkammer vorgenommen. Hier wartete der
Henker mit seinen Knechten der unglücklichen Opfer eines finsteren Wahns. Es gab ver¬
schiedene Grade der Folterung. Gewöhnlich wurde mit der Daumenschraube begonnen.
Ein anderes Marterwerkzeug war die pommersche Mütze, d. i. ein knotiger Strick,
der um den Kops gepreßt wurde. Qualvoller waren die spanischen Stiefel, d. h.
Beinschrauben, die man so fest anzog, daß die Knochen platt gedrückt oder zerbrochen
wurden. Bekannte der Unglückliche noch nichts, so folgte der trockene Zug, d.h. die
entmenschten Henkersknechte legten ihn auf die Folterbank und reckten ihm die Glieder
aus. Noch fürchterlicher war der „gespickte Hase", eine hölzerne, mit Nägeln be¬
schlagene Walze, aus welcher der Körper gewaltsam hin und hergezogen ward, bis sich
alle Gliedmaßen verrenkten. Wenn der Gemarterte zu laut schrie, so steckte man ihm
eineu Knebel, die sogenannte Birne, in den Mund. Schließlich bekannten die Unglück¬
lichen alles, was man von ihnen forderte. So bekannte das der Hexerei angeklagte
Weib des alten Hnndevogts Kersten zn Rostock, sie roäre ans einem Besen zum Blocks¬
berg geritten, hätte dort mit dem Teufel Grapenbraten gegessen und Bier getrunken,
nachher auch mit ihm getanzt. Eine Wamemünderin sagte ans, daß sie Baderoasser
in den Strom gegossen und dadurch Sturm erregt habe, auch einmal sämtliche Fische
von Warnemünde habe weggehen lassen.
48. Erfindungen int Mittelalter.
1 Der Kompaß. — Gegen Ende des Mittelalters wurden eine Reihe Erfindungen
gemacht, welche für die Folgezeit vou hoher Wichtigkeit und Vorboten einer neuen Zeit
waren. Um 1300 erfand ein Italiener ein für die Schiffahrt sehr wichtiges Instrument,
den Kompaß. Bis dahin mußten die Seefahrer immer in der Nähe der Küsten bleiben
und sich nach der Sonne und den Gestirnen richten; bei bedecktem Himmel gerieten sie
leicht in die Irre. Jetzt konnten sie sich in den offenen Ozean hinauswagen; die Magnet¬
nadel zeigte ihnen mit untrüglicher Sicherheit den Weg.
2. Die Erfindung des Schießpulvers wird dem Franziskanermönch
Bertold Schwarz zu Freiburg in Baden zugeschrieben. Dieser beschäftigte