Full text: Erzählungen aus der Sagenwelt des klassischen Altertums und aus der ältesten Geschichte der Griechen und Römer (Teil 3: Ergänzungsheft)

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B. Aus der sagenhaften Vorgeschichte der Griechen 
denn man wollte, daß er sich, wenn er noch hungerte, mit List das 
fehlende verschalte. Was er sich aus den Gärten der Spartiatennahm, 
das galt nicht als gestohlen, sondern als schlau gewonnene Kriegs¬ 
beute; nur fassen lassen durfte er sich dabei nicht. Hunger und Durst, 
Hitze und Kälte lernte er ertragen; körperlichen Schmerz zu verraten 
galt als Schande. So wollte einst ein halbwüchsiger Junge, der einen 
kleinen Fuchs gestohlen hatte, ihn unter seinem Gewand verborgen 
heimtragen. Da begegnete ihm ein älterer Mann und hielt ihn auf 
und fragte ihn, woher er komme. Der Fuchs zerbiß und zerkratzte ihm 
den Unterleib, aber ohne mit der Wimper zu zucken, stand er Rede, 
und doch waren die Wunden, die ihm der Fuchs beigebracht hatte, so 
schwer, daß er bald darauf tot hinfiel. Alljährlich fanden öffentliche 
Geißelungen der Jünglinge im Tempel der Artemis statt. Die Männer 
standen hemm und beobachteten, wie sich jeder verhielt, wenn die Geißel 
auf den nackten Rücken fiel; man durfte nicht die geringste Verände¬ 
rung auf dem Gesicht des Betreffenden bemerken, sonst war es mit 
seinem Ansehen vorbei. Viel zu lernen brauchten die spartanischen 
Knaben nicht; sie wurden geübt im Singen und im Reigentanz, der bei den 
Griechen zum Götterdienst gehörte, aber lesen und schreiben konnten 
viele nur notdürftig. Dagegen wurde ihnen gelehrt, den Erwachsenen 
gehorsam zu sein, dem Alter mit Ehrerbietung zu begegnen und aus 
Fragen kurze, .treffende Antworten zu geben. Gehorsam, Ehrerbietung 
gegen das Alter, kurzes, schlichtes Antwortgeben wurde ihnen ein¬ 
geprägt. 
Aber nicht nur das Leben der Knaben und Jünglinge hatte Ly- 
!urg so streng geregelt, auch von den Männern durste nicht jeder tun, 
was er wollte, und leben, wie es ihm behagte. 
Damit kein plötzlicher Überfall gelinge und jeglicher Versuch eines 
Ausstandes der unterworfenen alten Bevölkerung im Keime erstickt 
werden könne, mußten die Spartaner immer im Lande bleiben. Wollte 
einer aus die Jagd gehen oder gar verreisen, so bedurfte er des Urlaubs. 
Alles war militärisch geregelt. Die Männer wohnten und speisten nicht 
zn Hause, sondern zu fünfzehn in „Zeltgenossenschaften" geteilt, wie 
in einer Kaserne. Außer an Festtagen oder wenn ein Opsertier ge¬ 
schlachtet worden war, gab es neben Brot, Feigen und Wein nur die 
„schwarze Suppe", deren Hauptbestandteile Blut und Fleischstücke waren 
und die mit Salz und Essig gewürzt wurde. Einst ließ sich ein frem¬ 
der König, der in Sparta zum Besuch weilte, auch diese Suppe vor¬ 
setzen, aber sie schmeckte ihm gar nicht. „Kein Wunder," sagte der spar¬ 
tanische Koch, „diese Suppe mundet nur denen, die von Kindesbeinen
	        
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