ganzes Volk zu bekämpfen, Massen mit Massen zu schlagen — die Kunst
hatten die Deutschen nur zu sehr verlernt. Daher waren die Streitkräfte,
über welche der König meist allein verfügen konnte, ungeregelt, ohne festen
Zusammenhalt und zu großen Unternehmungen kaum zu benutzen. Ueber-
dies mußte den Ungarn im Reiterkampse begegnet werden, und obgleich
das fränkische Vasallenheer fast allein aus Rittern bestand, war doch in
Sachsen der Reiterdienst noch neu und wenig verbreitet; der größte Theil
des Adels hielt hier nur schlecht bewaffnete Dienstleute, die zu Fuße den
Kriegsdienst leisteten. So konnte sich Heinrich auch auf ein Vasallenheer,
wie es die Sachsen zu stellen vermochten, den Ungarn gegenüber mit nichten
verlassen. Er vermied deshalb jede Schlacht und schloß sich in seiner festen
Burg Werla, am Fuße des Harzes unweit Goslar, mit seinen Getreuen ein.
Unglück über uns kam. Denn die Ungarn hatten von der Noth des Reiches ver¬
nommen, fielen wüthend in Baiern ein und verwüsteten es (924); sie lagen
lange vor Augsburg, wurden dort durch das Gebet des Bischofs Udalrich, des
allerfrömmsten Mannes seiner Zeit, verscheucht, und drangen in Haufen nach Ale-
mannien, ohne daß sie jemand hinderte. Da zeigte der thätige Abt Engilbert, wie
gut er sich gegen Unglück zu wehren wußte. Denn als das Verderben herankam,
mahnte er jeden einzelnen seiner Vasallen, befahl den stärkern Brüdern sich zu be¬
waffnen, und ermuthigte die Hörigen. Er selbst that, wie ein Riese des Herrn,
das Stahlhemd an, zog die Kutte und Stola darüber und befahl den Brüdern
ebenso zu thun. „Bitten wir Gott, meine Brüder," sagte er, „daß wir mit der
Faust gegen den Teufel ebenso stark werden, wie wir es bis jetzt im Gottvertrauen
mit dem Geiste gewesen sind." Es wurden Speere gefertigt und Brustpanzer aus
dicker Leinwand, Schleudern wurden geschnitzt, feste Bretter und Weidengeflecht zu
Schilden gemacht, Sparren und Stangen gespitzt und am Feuer gehärtet.
Aber im Anfange glaubten mehrere Brüder und Dienstleute dem Gerücht nicht
und wollten nicht fliehen. Es wurde aber doch ein Platz ausgesucht, der wie von
Gott dazu bereitet war, um einen Burgwall aufzuführen, am Flufse Sint-tria-unum,
den einst der heilige Gallus so genannt haben soll um der heiligen Dreieinigkeit
willen, weil drei Büche zu einem zusammenfließen*). Der Platz wurde auf schmalem ■
Berghals durch abgehauene Pfähle und Baumstämme umschanzt, und es entstand
eine sehr feste Burg, die der heiligen Dreieinigkeit würdig war. Eilig wurde der
nothwendige Bedarf dorthin gebracht und schnell eine Kapelle als Oratorium ge¬
baut, in diese wurden die Kreuze und die Verzeichnisse der Spender in den Kapseln
geschafft, und dazu fast der ganze Schatz der Kirche, außer den Büchern, welche
auf den Gestellen standen. Diese hatte der Abt nach Reichenau gesendet, doch
waren sie dort nicht ganz sicher. Denn als sie zurückgebracht wurden, stimmte
zwar, wie man sagte, die Zahl, aber es waren nicht ganz dieselben. Die Alten
mit den Knaben gab er unter Aufsicht des Thieto nach Wasserburg, das dieser
mit den Dienstleuten, welche über dem See waren, sorglich befestigte. Er befahl
diesen auch, Lebensmittel mit sich zu nehmen, damit sie längere Zeit auf den
Schiffen bleiben konnten.
Die Späher strichen bei Tag und Nacht auf wohlbekannten Pfaden und ver¬
kündeten die Ankunft der Feinde, damit man in die Verschanzung fliehe (im I. 925);
aber die Brüder hielten zu sehr für unmöglich, daß der heilige Gallus jemals von
den Barbaren überfallen werden könnte. Engilbert selbst war dieser Meinung und
trug fast zu spät die werthvollsten Sachen des heiligen Gallus in die Burg. Des¬
halb wurde auch das Eiborium des heiligen Otmar den Feinden zurückgelassen^
*) Der Name Sint-tria-unum, zir deutsch: es seien drei eines, ist falsche Mimchsdeutmig eines
deutschen Namens, der vielleicht in älterer Zeit Sintarirnna, Quarzmnrmler, hieß.