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sechsköpfigen Sohn. So entstand die älteste Götterdynastie der Eisriesen,
welche aber bald von einer anderen verdrängt wurde. Mit dem Urriesen
Amir war nämlich gleichzeitig und in gleicher Weise auch eine Kuh ent¬
standen, Audumbla genannt, aus deren Euter vier Milchströme rannen,
von welchen Amir sich nährte, während die Kuh selbst ftch dadurch erhielt,
daß sie die salzigen Eisblöcke beleckte. Infolge dieses Leckens kamen am
ersten Tage aus den Eisblöcken Menschenhaare hervor, zeigte sich am zweiten
ein Manneshaupt, und am dritten ein ganzer Mann. Er hieß Buri, war
schön, groß und stark, und zeugte einen Sohn (man erfährt nicht: wie?).
Namens Börr, der mit Bestla, der Tochter des Riesen Bölthorn, sich ver¬
mählte, und mit ihr drei Söhne erzeugte: Odin, Vili und Ve, Götter,
die den Urriesen Amir erschlugen, und aus seinem Leibe die Erde und den
Himmel schufen, deren Beherrscher sie, die Stifter der zweiten, der jüngern
Götterdynastie, natürlich auch wurden und blieben. Denn aus des erschla¬
genen Dmirs Wunden floß so viel Blut (die Sündfluth), daß die ganze
erste Götterdynastie, das ganze Geschlecht der Eis- oder Frostriesen, darin
ertrank, bis auf Einen, Bergelmir, Dmirs Enkel, der mit seinem Weibe
in einem Boot (Noahs Arche) sich rettete und so Stammvater des jüngern
menschenähnlichem Geschlechtes der Elementarriesen wurde, von welchen
weiter unten noch die Rede sein wird.
Aus der ungeheuern Masse des von ihnen erlegten Riesenleibes schufen
die genannten drei ersten Erdengötter die Welt; aus seinem Blute Meer
und Wasser, aus seinem Fleische die Erde, aus seinen Knochen die Berge,
aus seinen Zähnen, Kinnbacken und Knochensplittern Felsen und Klippen.
Aus Amirs Schädel machten sie den Himmel, den sie zu ihrem Wohnsitze
erkoren, aus seinem Hirn die Wolken; aus Muspellheim los umherfahrende
Funken festigten sie an das Himmelsgewölbe, um Alles zu erleuchten. Jetzt
erst folgte die Erschaffung der Menschen; Börrs Söhne erschufen aus
zwei Bäumen, Esche (Askr) und Erle (Embla), Mann und Weib. Odin
gab ihnen Seele und Leben, Vili Vernunft und Bewegung, und Ve Antlitz,
Sprache, Gehör und Gesicht. Den Beschluß der Schöpfung machten die
Zwerge, welche die Götter aus Würmern bildeten, die in Amirs Leiche
entstanden; ein an leiblicher Größe und Stärke den Menschen nachstehendes,
aber an aufgeweckterem Geist und feinerem Sinn sie übertreffendes Ge¬
schlecht, in Schluchten und Höhlen, in Ritzen und Spalten der Berge
hausend. rr
„Der Monotheismus", sagt ein hochverdienter Forscher, „ist etwas so
Nothwendiges und Wesentliches, daß fast alle Heiden in ihrer Götter
buntem Gewimmel, bewußt oder unbewußt, darauf ausgehen, einen obersten
Gott anzuerkennen, der schon die Eigenschaften aller übrigen in sich trägt,
so daß diese nur als seine Ausflüsse, Verjüngungen und Erfrischungen zu
betrachten sind". Deutlicher und reiner als in den Mythologien anderer
Völker spricht sich dieses Bewußtsein eines höchsten Gottes, eines heiligen
Urquells aller Dinge nicht allein in vorstehender Schöpfungsgeschichte des
skandinavischen Mythus, sondern noch in andern Zügen desselben, nament¬
lich aber in dem aus, was er von dem einstigen Untergange nicht nur der
Schöpfung der Götter sondern auch der Götter selbst, und von der
Erneuerung der Welt lehrte. Denn wie die denselben vorhergegangene
erste Götterdynastie der Eisriesen in Blut ertränkt worden, so wird auch
die von Börr abstammende zweite, weil auch sie nur ein Erschaffenes