224 Neuere Geschichte. II. Abschnitt. Von 1648—1789 n. Chr.
dem dreißigjährigen Kriege in den tiefsten Verfall gerathen. Wie
Nachahmung fremder Sprache, Sitte und Bildung immer mehr
überhand nahm, fo ahmten jetzt auch die deutschen Dichter die la-
temlfchen Dlchtunaen des 16. Jahrhunderts so wie die französischen
und italienischen Dichter sclaviscy nach. Eine widerliche Sprach-
mengerel wurde herrschend. Zum Schutze gegen die der Sprache
und Dichtkunst drohenden Gefahren bildeten sich nach dem Muster
der italienischen Akademien Gesellschaften. Die älteste war die
fruchtbringende Gesellschaft oder der Palmenorden, im 1.1617 au
Weimar gestiftet; daran schloffen sich die im I. 1634 durch PH.
ö. Zesen in Hamburg gegründete deutsch gesinnte Genossenschaft,
der gekrönte Blumenorden oder die Gesellschaft der Pegnitzschäfer,
1644 von Harsdorfer und Klai zu Nürnberg gestiftet, der im I.
1656 von Johann Rist gestiftete Schwanenorden an der Elbe u. a.
Emen Fortschritt machte die deutsche Dichtkunst nur in Bezie-
düng auf die äußere Form. Rudolph Weckherlin, 1584 in
Stuttgart 8e^Dren' 1651 in London gestorben, führte die Formen
und Versmaße der Südländer ein (Alexandriner). Besonders ein-
flußreich wurde Martin Opitz v. Bob erfeld. 1597 zu Bunzlau
geboren, 1639 m Dangig gestorben (sein Buch „von der deutschen
Poeterei" 1624), an den sich die erste schlesische Dichterschule
anschloß. Zu derselben Dichtergruppe gehören PaulFlemmina
aus dem sächsischen Voigtlande (1609—1640), der Dramatiker An-
dreas Gryphius zu Großglogau (1616—1664), der Epigram,
mendlchter Friedrich v. Logau, geb. 1604, f zu Liegnitz 1655.
Ms Satiriker ist Joachim Rachel zu nennen, geb. 1618, f 1669
als Rector zu Schleswig; ebenso Hans MichaelMoscherosch,
geb. 1600, J- 1669 auf einer Reise zu Worms. — Unabhängig
waren die Satiriker Joh. Wilh. Laurenberg in Rostock (1591
Vs 1659) und Joh. Balthasar S chup Pius in Hamburg (1610
bls 1661), die Lvriker Friedrich v. Spee am Rhein (1592—1635;
„Trutznachtigall ^), der edle Bekämpfer der Hexenprocefse, und An-
gelus Silesius (Joh. Scheffler. 1624—1677; der „cherubinische
Wandersmann"). In Preußen bildete sich, an Opitz sich anlehnend,
zu Königsberg ein Dichterkreis um Simon Dach (1605—1659;
„Annchen von Tharau"). Besonders zeichneten sich die Königs-
berger Dichter auf dem Gebiete des geistlichen Liedes aus. lieber«
Haupt offenbarte sich in der geistlichen Dichtung noch längere Zeit
die Tiefe und innige Frömmigkeit des deutschen Gemüths und die
Kraft und Schönheit der deutschen Sprache, namentlich tn den
120 Kirchenliedern Paul Gerhards, des treuen Bekenners lu¬
therischen Glaubens unter Kreuz und Verfolgung (geb. 1607, gest.
1676). Bei den späteren Dichtern ginjj der Charakter des Kirchen-
ueoes (das Bekenntniß) immer mehr tn den des geistlichen Liedes
(die Betrachtung) über und verlor sich endlich in bloße Reimerei.
— Noch tiefer fank die Dichtkunst durch die zweite schlesische
Dicht er schule, die in prunkvollem Schwulst das Wesen der Poesie
suchte. (Christian Hoffmann v. Hoffmannswaldau zu
Breslau. 1618—1679; Daniel Caspar v. Lohenstein, 1635
bis 1683; sein Roman Arminius und Thusnelda). Derselben Rich¬
tung gehörte Hetnr. Anselm v. Ziegler und Klipphausens
Roman „die asiatische Banise" an; ganz volksthümlich ist dagegen
■der „abenteuerliche Simplicissimus" von Christoph v. Grim-